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"Terminator" vor Gericht

In Den Haag findet der Vorprozess gegen Kongos Warlord Bosco Ntaganda statt

Von Markus Schönherr, Kapstadt *

Am 12. Februar wird alljährlich der »Red Hand Day« begangen, der internationale Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten. In Den Haag steht ein mutmaßlicher Täter – Bosco Ntaganda – vor Gericht.

In der Demokratischen Republik Kongo nannten sie ihn den »Terminator«. Nun muss Bosco Ntaganda, der es gewohnt ist, Befehle zu geben, im niederländischen Den Haag die Anklagebank drücken.

Zunächst geht es im Vorprozess seit Montag dieser Woche nur darum, die Anklage zu bestätigen. Unter Ntagandas Kommando hätten seine Milizen unschuldige Zivilisten »anhand ethnischer Kriterien verfolgt«, erklärte die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Fatou Bensouda. Sie und Ntagandas Verteidiger Marc Desalliers präsentieren bis Freitag ihre Argumente. Eine Entscheidung, ob die Beweise für einen Kriegsverbrecherprozess ausreichen, wird binnen 60 Tagen erwartet.

Bosco Ntaganda wurde Anfang der siebziger Jahre in Ruanda geboren und wanderte als Teenager Ende der achtziger Jahre aufgrund der Repression gegen Tutsi in die benachbarte DR Kongo aus. Später schloss er sich der Ruandischen Patriotischen Front von Paul Kagame an, die nach dem Völkermord 1994 die Hutu in die Flucht schlug und in Ruanda die Macht übernahm. Ntaganda zog in die benachbarte Demokratische Republik Kongo weiter. Dort wurde ihm schnell der Kampfname »Terminator« zuteil.

Die Anklage wirft Ntaganda insgesamt 13 Kriegsverbrechen vor, darunter die Rekrutierung von Kindersoldaten und die Haltung von Sexsklaven sowie fünf Verbrechen gegen die Menschlichkeit, etwa ethnische Verfolgung und Mord. In der DR Kongo schloss er sich der Union Kongolesischer Patrioten an, wo er auf den Milizenführer Thomas Lubanga traf. Ihre Rebellenhochburg, Ituri, lag im Osten des Landes. Ab Mitte der 90er war die Region Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen Farmern der Lendu-Ethnie und Viehhütern aus der Gruppe der Hema. Von 2002 bis 2004 spitzte sich der Konflikt zu und paramilitärische Truppen destabilisierten die Region. Ntagandas Paramilitärs hätten ihre Opfer »erschossen sowie mit Pfeilen und Nägeln getötet. Einige wurden verstümmelt, andere wurden geköpft und ihr Haupt als Trophäe getragen«, sagte ein Anwalt der Opfer bei der ersten Anhörung. Die kongolesische Regierung schätzt, dass bei den Kämpfen mindestens 60 000 Menschen starben.

Ntaganda ist jetzt der dritte Kriegsherr, über den der IStGH in Zusammenhang mit den Ituri-Massakern urteilen soll. Seinen Verbündeten Thomas Lubanga befanden die Richter im Juli 2012 für schuldig und verurteilten ihn zu 14 Jahren Haft. Ihr gemeinsamer Gegner, Mathieu Ngudjolo, kam aus Mangel an Beweisen frei. Der französische Richter gab zu bedenken, dass er Ngudjolo nicht für unschuldig halte, nur weil das Urteil »nicht schuldig« laute.

Ob die Beweise gegen Ntaganda ausreichen, um einen Kriegsverbrecherprozess anzustrengen, ist ungewiss. Die Anhörung dazu war bereits einmal verschoben worden, da Klägerin Bensouda noch mehr Beweise sammeln wollte. Am Montag schien sie sich ihrer Sache aber sicher: »Bei der Planung von Anschlägen gegen die Zivilbevölkerung mit dem Ziel, Land zu gewinnen, spielte Ntaganda eine Schlüsselrolle. Er verfolgte Zivilisten aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit.« Zudem habe er nichts unternommen, um Verbrechen seiner Truppen zu verhindern oder zu bestrafen. Ntagandas Verteidiger, Marc Desailliers, konterte, die Anklage habe »keine Basis«.

Allerdings, berichtet die Organisation Human Rights Watch (HRW), habe bereits der Beginn der Anhörung »große Bedeutung für die Tausenden Menschen in Ostkongo, die unter seinem Kommando litten oder die Verbrechen seiner Truppen mit ansahen.«

Der größte Kritikpunkt am Prozess aber bleibt: Der IStGH wirft Ntaganda einzig seine Verbrechen in Ituri vor und ignoriert dabei jene, die er als Militärführer der M23-Miliz beging. Nach einem Friedensabkommen 2009 war Ntaganda samt seinen Rebellen in die kongolesische Armee eingegliedert worden. Sie sagten sich 2012 aber wieder von ihr los und rebellierten erneut gegen die Regierung in Kinshasa. Bei der Besetzung der Provinzhauptstadt Goma zogen sie mordend durch die Straßen und zwangen Hunderttausende Bewohner zur Flucht. Bis auf weiteres bleiben diese Verbrechen jedoch unbestraft. HRW meint, dass der Prozess nicht die ganze Palette von Ntagandas Verbrechen behandle, sei »bedauernswert«.

Bis heute bleibt Ntaganda der einzige Kriegsherr, der sich freiwillig dem Internationalen Strafgerichtshof stellte. Im März 2013 suchte er die US-amerikanische Botschaft in Ruanda auf und bat um eine Auslieferung nach Den Haag. Experten sehen innere Spannungen in der M23 als Grund für sein Gesuch an. Die Partisanen ergaben sich unterdessen, doch der Osten Kongos bleibt umkämpft.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 12. Februar 2014


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