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Offensive in Ostkongo

Armee eröffnet Kampf gegen ruandische Rebellen. UN-Truppen lehnen Zusammenarbeit mit Militärs ab

Von Simon Loidl, Kigali *

Am Dienstag hat im Osten der Demokratischen Republik Kongo eine bereits erwartete Offensive gegen die dortigen Kämpfer der »Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas« (FDLR) begonnen. Die kongolesische Armee hat ersten Meldungen zufolge eine Operation in der Provinz Südkivu nahe der Grenze zu Burundi begonnen. Genauere Informationen über Umfang oder Verlauf der Kämpfe gab es zunächst nicht.

Die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten hatte sich seit längerem abgezeichnet. Am 2. Januar war ein Ultimatum der UN-Stabilisierungsmission in der DR Kongo (MONUSCO) an die FDLR abgelaufen. Bis zu diesem Zeitpunkt hätten die Kämpfer ihre Waffen niederlegen müssen – dem waren nur wenige nachgekommen.

Seit Anfang des Jahres liefen die Planungen für eine Militäraktion, die maßgeblich von der gegenwärtig von dem deutschen Diplomaten Martin Kobler geleiteten MONUSCO geführt werden sollte. Vor wenigen Tagen allerdings führten die Unstimmigkeiten zwischen der DR Kongo und der UN-Mission zu einer Eskalation: Die kongolesische Armee hatte Ende Januar erklärt, dass die Generäle Bruno Mandevu und Fall Sikabwe die Operation gegen die FDLR leiten würden. Die Vereinten Nationen machen beide Männer jedoch für Kriegsverbrechen während der Kämpfe gegen die ruandischen Rebellen im Jahr 2009 verantwortlich und lehnen eine Zusammenarbeit mit ihnen ab.

Damit wurde aus der angekündigten, maßgeblich von der »robusten« UN-Mission zu verantwortenden Offensive gegen die FDLR vorerst eine begrenzte Operation der kongolesischen Armee. Allerdings können derartige Einsätze in der Region rasch eskalieren.

Seit dem Genozid im benachbarten Ruanda 1994 ist der Osten der DR Kongo auch nach dem Ende des zweiten kongolesischen Bürgerkriegs 2003 mit Millionen Toten noch nicht zur Ruhe gekommen. Zwischen April und Juli 1994 ermordeten in Ruanda Hutu-Milizen und ruandische Sicherheitskräfte zwischen 800.000 und einer Million Menschen – vor allem solche, die der Gruppe der Tutsi zugerechnet werden. Der Genozid war der Höhepunkt einer Politik der »rassischen« Unterteilung der ruandischen Bevölkerung, die von den deutschen und belgischen Kolonialisten eingeführt worden war.

Nach dem Sieg der vom heutigen ruandischen Präsidenten Paul Kagame angeführten »Ruandischen Patriotischen Front« (RPF) im Juli 1994 flohen Zehntausende Hutus in das benachbarte Zaire, die heutige DR Kongo. Unter ihnen befanden sich zahlreiche für die Morde Verantwortliche, die sich in den Flüchtlingslagern alsbald erneut in bewaffneten Milizen organisierten und maßgeblich für die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Region während der vergangenen zwei Jahrzehnte mitverantwortlich waren. Nicht zuletzt diente die Präsenz von Hutu-Milizen Ruanda immer wieder als Vorwand, im Osten des Kongo militärisch einzugreifen.

Die FDLR ging 2001 aus anderen exruandischen Gruppen hervor und gilt als die größte in der Region operierende bewaffnete Gruppe. Im Zuge einer Amnestie- und Demobilisierungskampagne haben in den vergangenen Jahren bereits einige tausend Kämpfer ihre Waffen abgegeben. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge stehen derzeit noch zwischen zwischen 1.500 und 3.000 FDLR-Kämpfer unter Waffen.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 26. Februar 2015


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