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Kongo wählt

Abstimmung über neues Parlament und Präsidenten. Erneuter Sieg von Amtsinhaber Joseph Kabila erwartet

Von Simon Loidl *

In der Demokratischen Republik Kongo finden am heutigen Montag (28. Nov.) die zweiten Präsidenten- und Parlamentswahlen seit Beendigung des Bürgerkrieges im Jahr 2002 statt. Beobachter gehen davon aus, daß Amtsinhaber Joseph Kabila die Abstimmung für sich entscheiden wird. Angesichts der in vielen Bereichen nur geringen Fortschritte seit seinem Amtsantritt im Jahr 2006 muß Kabila allerdings mit einem Rückgang der Unterstützung rechnen.

Vor allem im Osten des Landes, wo der Sohn des 2001 ermordeten Laurent Kabila vor fünf Jahren besonders viele Wähler für sich gewinnen konnte, wird er dieses Mal voraussichtlich schlechter abschneiden als im Rest des Landes. Ursache hierfür ist vor allem die instabile Sicherheitslage. Trotz einer umfassenden Demobilisierungskampagne nach den Wahlen 2006 sind immer noch unzählige Milizen im Kongo aktiv. In den vom Bürgerkrieg am stärksten betroffenen Gebieten kommt es täglich zu Überfällen, Vergewaltigungen und Morden. Armee und Polizei können die Zivilbevölkerung aufgrund mangelhafter Ausrüstung nicht schützen. Viele Angehörige der Sicherheitskräfte sind vielmehr selbst an Überfällen beteiligt.

In einem im August veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wird nicht zuletzt das nicht funktionierende Justizsystem als Ursache für die Fortdauer von Verbrechen und Gewalt verantwortlich gemacht. Täter würden nicht zur Verantwortung gezogen, Gerichtsurteile häufig einfach ignoriert.

Die politische und ökonomische Instabilität des Landes wird durch die nach wie vor massive Einmischung von außen befördert. Seit Jahrzehnten prägen die Aktivitäten westlicher Staaten und Konzerne die politischen Verhältnisse des Kongo; sie blieben auch nach dem Ende von Diktatur und Bürgerkrieg ein zentraler Faktor. Zu den »traditionellen« Akteuren kam während der letzten Jahre auch China als einer der wichtigsten Investoren hinzu. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die immensen Bodenschätze des zentralafrikanischen Landes. Das »Handy-Erz« Coltan stand während der vergangenen Jahre ganz oben auf der Einkaufsliste internationaler Unternehmen. Aber auch der Abbau von Gold, Diamanten, Kupfer oder Kobalt hält den Großteil der Bewohner eines der an Bodenschätzen reichsten Länder der Erde weiterhin in Armut.

Der zu erwartende Wahlsieg Kabilas scheint auch durch einen Mangel an politischen Alternativen gesichert. Zwar treten mehrere Oppositionskandidaten an – unter anderem Kabilas ehemaliger Wahlkampfhelfer Vital Kamerhe –, doch gelten alle als chancenlos.

Kabilas stärkster Gegner ist Etien­ne Tshisekedi, der in mehreren Regierungen unter Diktator Joseph-Désiré Mobutu immer wieder Ministerämter bekleidete. 1982 gründete er die Union for Democracy and Social Progress (UDPS), die fortan im Untergrund arbeitete. In den 1990er Jahren beteiligte sich Tshisekedi erneut an Regierungen, weshalb ihm nach dem Sturz Mobutus eine Kandidatur bei Wahlen verwehrt wurde. Das Verfassungsreferendum 2005 und die Wahlen 2006 wurden wiederum von der UDPS boykottiert, weshalb die Partei und ihr Anführer während der letzten Jahre etwas aus dem Blickfeld gerieten. Etwas voreilig erklärte sich Etienne Tshisekedi in einem Interview bereits Anfang November zum neuen Präsidenten. Daß dies aller Wahrscheinlichkeit nach nicht passieren wird, dafür sorgt indes auch eine Änderung des Wahlrechts. Kabila genügt nun bereits eine einfache Mehrheit, um ohne Stichwahl das Land weiterhin regieren zu können.

* Aus: junge Welt, 28. November 2011


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