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Kampf um Kongo

M23-Rebellen kündigen Marsch auf Kinshasa an. UN-Sicherheitsrat verhängt Sanktionen

Von Simon Loidl *

Nach der Eroberung der ostkongolesischen Stadt Goma haben die Rebellen des Mouvement du 23 Mars (M23) weitere Angriffe angekündigt. Zunächst wolle man das am Südende des Kivu-Sees gelegene Bukavu einnehmen und danach auf die mehr als 2000 Kilometer entfernte Hauptstadt Kinshasa marschieren, so ein M23-Sprecher am Mittwoch. Als Ziel nannte die Rebellengruppe die »Befreiung Kongos« und sprach von einer Verstärkung durch desertierte Sicherheitskräfte. 2100 Soldaten und 700 Polizisten seien allein am Mittwoch übergelaufen, so die Miliz.

Die am Vorabend vom UN-Sicherheitsrat verhängten Sanktionen gegen die M23 beeindruckte diese offensichtlich nicht. Am Dienstag hatte das UN-Gremium in New York die Einnahme Gomas verurteilt. Die von Frankreich eingebrachte Resolution wurde einstimmig angenommen. Gegen die Anführer der Organisation wurden Reiseverbote ausgesprochen und die Vermögen der Gruppe eingefroren. Zugleich verurteilte das UN-Gremium jegliche Unterstützung für M23 aus dem Ausland. Einzelne Länder wurden vom Sicherheitsrat zwar nicht genannt, doch richtet sich der Entschluß vor allem gegen die beiden Nachbarstaaten der Demokratischen Republik Kongo, Ruanda und Uganda. Ihnen wird nicht nur von Kinshasa vorgeworfen, die M23-Miliz aufgerüstet und den jetzigen Vormarsch direkt militärisch unterstützt zu haben.

Die Einnahme Gomas wurde nur wenige Stunden vor der Annahme der Resolution im Sicherheitsrat gemeldet. Die Regierungstruppen hatten sich nach tagelangen Gefechten zurückgezogen, Tausende Bewohner der Region sind bereits vor den Kämpfen geflohen. Die vor Ort stationierten Einheiten der UN-Friedenstruppe MONUSCO hielten sich nach dem Abzug der kongolesischen Armee zurück. Ein Militärsprecher forderten die UN-Einheiten auf, sich stärker zu engagieren. Auch der französische Außenminister Laurent Fabius sprach am Dienstag von der Notwendigkeit, das MONUSCO-Mandat zu ändern, damit die 17000 im Land eingesetzten Blauhelmsoldaten auch tatsächlich eingreifen könnten. Aufgrund der geltenden Bestimmungen seien die UN-Einheiten »nicht in der Lage« gewesen »zu verhindern, was passiert ist, und das angesichts von einigen hundert Mann« auf Seiten der Rebellen.

Bis zum Rückzug der kongolesischen Armee hatten sich die etwa 1400 in und um Goma stationierten Blauhelme UN-Angaben zufolge an dem Versuch beteiligt, die Stadt gegen die Einnahme durch die Rebellen zu verteidigen. Erst nach dem Rückzug der Regierungssoldaten wurde dies aufgegeben. Aufgabe von MONUSCO sei es, Zivilisten zu schützen und nicht die Arbeit der regulären Armee zu übernehmen, hieß es seitens der UNO.

Die Rebellengruppe M23 rekrutiert sich aus Mitgliedern der früheren Miliz »Nationalkongreß zur Verteidigung des Volkes« (CNDP). Diese 2006 gegründete und mit Ruanda verbündete Organisation kontrollierte zeitweise große Teile des östlichen Kongo. Im Rahmen eines Friedensvertrages vom 23. März 2009 wurde der CNDP als politische Partei anerkannt und dessen bewaffnete Kräfte in die kongolesische Armee eingegliedert. Im April 2012 gründeten CNDP-Angehörige die M23, nachdem sie der Regierung vorgeworfen hatten, sich nicht an die Vereinbarungen des Friedensvertrages gehalten zu haben. Sie sprachen von Mißhandlung und Diskriminierung der vormaligen Rebellen innerhalb der kongolesischen Armee und verlangten bessere Ausrüstung und Bezahlung.

Welche Rolle die Nachbarländer – allen voran Ruanda – in den aktuellen Kämpfen tatsächlich spielen, ist unklar. Angesichts der eigennützigen Einmischung in die Auseinandersetzungen in der Vergangenheit wirken Stellungnahmen aus Kigali, daß man keinerlei Einfluß auf die M23-Miliz habe, jedoch unglaubwürdig. Ruanda, Uganda und Burundi haben seit Mitte der 1990er Jahre immer wieder Rebellengruppen finanziert und aufgerüstet. Antrieb dafür sind die Bodenschätze des Kongo – Diamanten, Kupfer, Gold, Coltan. Am Dienstag abend trafen der Präsident der Demokratischen Republik Kongo, Joseph Kabila, und das ruandische Staatsoberhaupt Paul Kagama in der ugandischen Hauptstadt Kampala zu Gesprächen über die Lage ein.

Zahlreiche Beobachter sprechen angesichts der neuen Kämpfe bereits vom Beginn des Endes von Kabila. Die Lage im ganzen Land ist gespannt. Nach Bekanntwerden der Einnahme Gomas wurden aus mehreren anderen Städten teilweise gewaltsame Proteste gegen die Regierung gemeldet.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 22. November 2012


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