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Kongo: Noch 2000 Kindersoldaten

UNICEF konstatiert hohe Rückfälligkeit nach Befreiung aus Militärfron

Von Taylor Toeke Kakala (IPS), Goma *

UNICEF ist es zwischen Januar und Juli gelungen, 1700 kongolesische Kindersoldaten in die Gesellschaft zurückzuführen. Doch werden nach wie vor 2000 Minderjährige von 27 bewaffneten Gruppen in der Provinz Nord-Kivu im Osten der DR Kongo eingesetzt. Ein Problem ist, dass viele demobilisierte Heranwachsende in den Kampf zurückkehren.

Der 16-jährige Maurice ist ein solcher Fall. Er wurde bereits zwei Mal aus den Händen einer Miliz in Nord-Kivu befreit. »Nach der ersten Zusammenführung mit meiner Familie entschloss ich mich, erneut zu den Waffen zu greifen, weil uns das Geld fehlte«, berichtet er. Der Teenager schloss sich einer bewaffneten Gruppe in Nyatura an, nachdem er vorher in einer Einheit der Rebellenorganisation ›Widerständige kongolesische Patrioten‹ gekämpft hatte.

Inzwischen ist Maurice auch aus der Truppe in Nyatura entfernt worden. Er wird nun in einem Durchgangslager für ehemalige Kindersoldaten in Nyakariba betreut, bevor er wieder in die Zivilgesellschaft integriert werden soll. Die Ziege, die er nach seiner ersten Befreiung von der Caritas in Goma erhalten hatte und die ihm die Rückkehr ins zivile Leben erleichtern sollte, wurde während seiner Abwesenheit von seiner Familie geschlachtet.

In einer Ende Juli verbreiteten Mitteilung sprach UNICEF von »einer beunruhigenden Entwicklung «, die dazu führe, dass immer mehr Kinder dem Konflikt in Nord- Kivu zum Opfer fielen. Seit Mai 2012 kämpft die Armee FARDC dort gegen die M23-Rebellen, ehemalige Soldaten, und die UN-Mission MONUSCO versucht derzeit mit der FARDC, um Goma eine Sicherheitszone durchzusetzen.

Die von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) dokumentierte Präsenz der ehemaligen Kindersoldaten in den Reihen von M23 ist aber nur ein Aspekt des Problems, wie Basile Bashimbe von der Caritas in Goma unterstreicht. Kongo habe zwar die internationale Kinderrechtskonvention unterzeichnet, stehe aber trotzdem auf der »Liste der Schande«, da Armee und Rebellengruppen an der Rekrutierung von Kindersoldaten beteiligt seien. Auf der jährlich von den UN erstellten Liste werden all jene Staaten aufgeführt, in denen Kinder in bewaffneten Konflikten getötet, sexuell missbraucht und militärisch eingesetzt werden.

Jeder Kindersoldat, der zu seiner Familie zurückgebracht werde, erhalte eine Ziege, sagt Justin Akili, der sich 2003 an der Ausarbeitung eines 2003 von der DR Kongo, den Vereinten Nationen und Nichtregierungsorganisationen vereinbarten Plans zur Wiedereingliederung der Kindersoldaten in die Gesellschaft beteiligt hatte. Der Plan sieht ferner vor, ehemaligen Kindersoldaten im Schulalter die Ausbildung bis zum Abitur zu ermöglichen und/oder sozioökonomische Hilfestellung zu leisten, um ihnen die Aufnahme einer Arbeit oder einer Berufsausbildung zu ermöglichen.

Drei Monate nach der Familienzusammenführung besuchen Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz alle ehemaligen Kindersoldaten, um sich davon zu überzeugen, dass sie gut aufgehoben sind. Vielen Kindern falle die Rückkehr in ihr altes Leben jedoch schwer, meint Akili. Die Zustände seien prekär und die Milizen nach wie vor in der Umgebung aktiv, was dazu führe, dass viele Ex-Kindersoldaten wieder zu den Waffen griffen.

UNICEF kritisiert eine unzureichende Umsetzung des Wiedereingliederungsplans von 2003. In jenem Jahr kämpften nach UNSchätzungen in manchen Rebellengruppen bis zu 40 Prozent Kinder. Damals war etwa die Hälfte aller in Afrika vermuteten 130 000 Kindersoldaten in Kongo im Einsatz. Laut UNICEF hatte die kongolesische Kommission, die für die Durchführung des Demobilisierungsprogramms verantwortlich ist, bis 2006 nur 19 000 Kindersoldaten demobilisiert.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 29. August 2013


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