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Kongo - Bürgerkriegsland

Chronik Juni 2000

12. Juni 2000

Bei den Kämpfen zwischen ruandischen und ugandischen Truppen ist eine der größten und wichtigsten Städte des Kongo, Kisangani, fast völlig zerstört worden. Agenturberichte und Pressemeldungen vom 12. und 13. Juni sprechen von furchtbaren Kämpfen, die sich am Pfingswochenende in Kisangani abgespielt haben sollen. In der Süddeutschen Zeitung vom 13. 06. schreibt der Korrespondent Michael Bitala u.a.:

Nach einer Woche heftiger Kämpfe zwischen Soldaten aus Uganda und Ruanda ist die kongolesische Hafenstadt Kisangani fast vollständig zerstört. Mindestens 250 Zivilisten wurden bei den Auseinandersetzungen getötet, mehr als tausend Menschen schwer verletzt. Nach einem siebenstündigen Kampf am Samstag vertrieben die Truppen aus Ruanda den Gegner aus der Stadt. Zwar hieß es in der ugandischen Armeeführung, es habe sich um einen "taktischen Rückzug" gehandelt, doch die Soldaten aus Ruanda eroberten nicht nur große Teile von Kisangani - darunter das Zentrum und die beiden Flughäfen -, sondern auch die meisten schweren Kriegswaffen des Gegners.

Die jüngsten Kämpfe, die am 5. Juni begannen, waren die dritte Auseinandersetzung zwischen Uganda und Ruanda in Kisangani. Beide Länder unterstützen verschiedene Rebellentruppen, die vor knapp zwei Jahren fast den gesamten östlichen und nördlichen Teil der Demokratischen Republik Kongo erobert hatten. Beide Länder waren einst enge Verbündete, die den kongolesischen Präsidenten Laurent Kabila stürzen wollten. Kisangani ist die Grenzstadt zwischen den von ruandischen und ugandischen Truppen kontrollierten Gebieten.

Ein von beiden Ländern vor wenigen Monaten akzeptierter Friedensplan sieht vor, dass sich beide Armeen aus der Stadt zurückziehen und sie dem Oberkommando einer UN-Blauhelmtruppe übergeben, die aus 500 Beobachtern und etwa 5000 Soldaten besteht. Kurz nach Ende der Kämpfe bezogen die UN-Beobachter Schlüsselpositionen in Kisangani, um das vereinbarte Waffenstillstandsabkommen zu überwachen. Die Armeechefs beider Länder wollten noch am gestrigen Montag in Ugandas Hauptstadt Kampala beraten, wie sie das Abkommen umsetzen können.

Entgegen der offiziellen Ankündigung Ruandas, sich jetzt aus Kisangani zurückzuziehen, sagten Beobachter in Ruandas Hauptstadt Kigali, dass sich die ruandische Armee auf einen Gegenschlag der Ugander einstelle. Das Nachbarland habe ein massives Truppenaufgebot in der Umgebung der drittgrößten kongolesischen Stadt. Auch eine direkte Auseinandersetzung an der Grenze zwischen den beiden Nachbarländern wird nicht mehr ausgeschlossen.

Die Stadt Kisangani, in der etwa 200 000 Menschen leben, wurde bei den jüngsten Kämpfen von rund 6000 Mörsergranaten beschossen. In den Straßen lägen Dutzende von Leichen, berichteten Augenzeugen. Es gebe keinen Strom, fast nichts zu essen und kein Trinkwasser mehr. Rund um Kisangani befinden sich Diamantenminen, mit denen sowohl die Rebellentruppen als auch die Armeen aus Uganda und Ruanda ihren Krieg finanzieren.

10. Juni 2000

Ugandische und ruandische Truppen kämpfen im Kongo gegeneinander

In der Schlacht um Kisangani gerät die Zivilbevölkerung zwischen die Fronten

Die NZZ berichtet am 10. Juni 2000, ruandische und ugandische Truppen hätten trotz eines von der Uno ausgehandelten Waffenstillstands ihre Schlacht um die kongolesische Stadt Kisangani auch am Freitag, den 9. 6. fortgesetzt. Der Machtkampf, der auch mit schweren Waffen inmitten der Stadt ausgetragen wird, scheint unter der Zivilbevölkerung ein Blutbad anzurichten. Medizinische Pflege ist nur noch in rudimentärster Form möglich.

Im einzelnen heißt es in der NZZ:
"Rwandische und ugandische Truppen haben am Freitag weiterhin um die Kontrolle über die Stadt Kisangani im Nordosten Kongo-Kinshasas gekämpft, obwohl unter Vermittlung des Uno- Generalsekretärs Annan die Präsidenten der beiden Länder in einen Waffenstillstand eingewilligt hatten. Dem Abkommen, das am Donnerstagnachmittag in Kraft hätte treten sollen, war damit das gleiche Schicksal beschieden wie schon mehreren anderen zuvor. Auf ein allmähliches Abflauen der Kämpfe folgte am Freitag die Wiederaufnahme mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Die Berichte von Korrespondenten und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen in der Stadt zeichneten das Bild eines wahren Blutbads, das die verfeindeten Truppen unter der Zivilbevölkerung anrichteten. Die Spitäler sind laut diesen Berichten überfüllt, doch das Pflegepersonal arbeitet weitgehend ohne das erforderliche Material. Nachdem die Stromversorgung bereits am Montag wegen der Kämpfe zusammenbrach, gibt es auch kaum mehr sauberes Wasser. Nach konservativen Schätzungen sind mindestens 100 Zivilpersonen ums Leben gekommen und 700 weitere verwundet worden.

«Schande für Afrika»

Mehrere afrikanische Staatsmänner verurteilten am Freitag den blutigen Machtkampf um Kisangani, der rücksichtslos auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgetragen wird. Die BBC berichtete, der sambische Präsident Chiluba habe ihn als Schande für Afrika bezeichnet. Chiluba ist wesentlich an den Bemühungen beteiligt, den Konflikt in Kongo-Kinshasa zu stabilisieren, damit eine Uno-Truppe zwischen den Kampfparteien stationiert werden kann. In der Tat sind in Kisangani, im Gegensatz etwa zu Sierra Leone oder Somalia, reguläre Armeen zweier Staaten im Einsatz, die für sich in Anspruch nehmen, das neue Afrika zu vertreten. Wäre ihr gegenwärtiges Verhalten in der früher drittgrössten kongolesischen Stadt wegweisend, wären nur die schlimmsten Befürchtungen für den Kontinent angebracht.

Auch wenn zurzeit nur das Leiden der Bevölkerung Kisanganis in den internationalen Medien erwähnt wird, so hat der Krieg in anderen Gegenden keineswegs ein Ende gefunden. Ein weiterer chronischer Unruheherd ist die Provinz Süd- Kivu, wo im Gebiet um die Städte Bukavu und Uvira immer wieder heftig gekämpft wird. Zivilpersonen berichten regelmässig von einer eigentlichen Strategie des Terrors, welche rwandische und burundische Truppen, aber auch Rebellen aus diesen beiden Ländern verfolgten...."

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