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Komoreninsel sucht ihren Präsidenten

Gestürzter Oberst Mohammed Bacar nach der Militärintervention auf der Flucht

Von Anton Holberg *

Einen Tag nach der Militärintervention auf den Komoren im Indischen Ozean steht die zuvor abtrünnige Insel Nzwani (Anjouan) wieder unter Kontrolle der Zentralregierung.

Die gemeinsame Landungsaktion von Soldaten der Afrikanischen Union (AU) und Regierungstruppen sei mit Ausnahme von zwei Verletzten unblutig verlaufen, erklärte Regierungssprecher Abdurahim Said Bacar am Mittwoch. Die Bevölkerung habe positiv auf die Invasion reagiert. Vereinzelt gab es Plünderungen. Eine Übergangsregierung solle nun den Weg für Neuwahlen ebnen.

Unterdessen suchen die Soldaten noch immer nach dem Insel-Präsidenten Mohammed Bacar. Oberst Bacar hatte sich 2001 auf Anjouan an die Macht geputscht und war ein Jahr später zum Präsidenten gewählt worden. Grundlage war die Verfassung vom Dezember 2001, die die Republik Komoren als eine Union aus den weitgehend autonomen drei Inseln Grande Comore, Mohéli und Anjouan definierte. Die von ihm organisierte Wahl vom Juni 2007, die er ebenfalls gewann, wurde jedoch von der Zentralregierung auf Grande Comore unter dem im Mai 2006 gewählten muslimischen Geistlichen Ahmed Abdallah Mohammed Sambi und der AU nicht anerkannt.

Präsident Sambi hatte vor der Wiedereroberung Anjouans, der am weitesten von Grande Comore entfernten Insel, neue Wahlen für den Mai zugesagt. Oberst Bacar hatte sich im August 2001 gegen Anhänger einer völligen Unabhängigkeit Anjouans militärisch durchgesetzt. Umso mehr deutet die jüngste Entwicklung darauf hin, dass die ehemalige französische Kolonie seit der Unabhängigkeit vor 30 Jahren ein lebensunfähiger Pseudostaat geblieben ist. Der Inselstaat, der außer Postkartenmotiven, dem Export von Vanille, Gewürznelken und Parfumessenzen sowie den Überweisungen seiner im Ausland arbeitenden Bürger und Entwicklungshilfegeldern nichts hat, was sein wirtschaftliches Überleben ermöglichen würde, war die ersten beiden Jahrzehnte vor allem als Operationsgebiet des französischen Söldnerführers Bob Denard bekannt geworden.

Der zuvor in der französischen Kolonialarmee in Indochina und verschiedenen Ländern Afrikas und dann »freischaffend« tätige Denard hatte seit 1975 vier Präsidenten gestürzt und zwei von ihnen ermordet: zunächst 1978 den Linksnationalisten Ali Soilih und dann 1989 Ahmed Abdallah, der 1975 die einseitige Unabhängigkeit von Frankreich erklärt hatte. Seinen letzten Coup führte der 2007 in Frankreich verstorbene Denard 1995 aus, als er Abdallahs Nachfolger Said Mohamed Djohar stürzte, bevor er sich französischen Interventionstruppen ergab. Denard war damit an den wichtigsten der insgesamt 19 Putsche und Putschversuche der letzten 33 Jahre auf den Komoren beteiligt.

Nachdem der 1996 frisch gekürte Präsident Mohammed Taki den Islam zur Grundlage des Rechtssystems auf den Inseln erklärt hatte, deren arabisch-malayisch-afrikanische Mischbevölkerung durchgehend muslimisch ist, erklärten Anjouan und Mohéli im folgenden Jahr ihren Austritt aus dem Staatsverband. Erst die neue Verfassung von 2001 ermöglichte eine Reintegration von Anjouan und Mohéli.

Die Komoren sind offensichtlich ein extremes Beispiel für die Künstlichkeit afrikanischer Staaten, die aus den Zufällen kolonialer Eroberung hervorgegangen sind. Die auf den Inseln herrschende »Demokratie« ist nicht nur in Sachen Pressefreiheit eher formal als real. Fraglich ist auch, ob die geplanten Neuwahlen zur Stabilität des gesamtkomorischen Inselgefüges beitragen können. Wenn nicht, könnte der Einsatz von AU-Truppen wieder einmal -- wie aktuell zum Beispiel in Somalia -- nur zur Verteidigung eines letztlich nicht nachhaltigen Status quo gedient haben.

* Aus: Neues Deutschland, 27. März 2008


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