Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Union der Komoren (Ost-Afrika)

Grundinformationen über den ostafrikanischen Inselstaat und Putschweltmeister

Die Komoren sind ein kleiner Inselstaat im Indischen Ozean vor der ostafrikanischen Küste zwischen Mozambique und Madagaskar. Die endgültige Befreiung aus der französischen Kolonialherrschaft (seit 1946 besaßen die Komoren den Status eines TOM-territoires d?outre-mer, Französisches Übersee-Territorium) fand 1975 statt (vorausgegangen war 1974 ein Referendum, in dem sich 95 Prozent der Befragten für die Unabhängigkeit aussprachen). Lediglich die Insel Mayotte blieb Teil der französischen Übersee-Territorien. Ihre Bevölkerung hatte sich bei dem besagten Referendum mit 64 Prozent für die Zugehörigkeit zu Frankreich entschieden. Der unabhängige Komorenstaat hat aber den Anspruch auf Mayotte nie aufgegeben.

Zur unabhängigen Union der Komoren gehören drei Inseln: Grande Comore (Landessprache: Njazidja), Anjouan (Nzwani) und Mohéli (Mwali). Zusammengenommen beträgt die Fläche des Zwergstaats 1.862 qkm, das ist etwa doppelt so groß wie Berlin. Die Einwohnerzahl beträgt knapp 600.000 (2004: 588.000).

Das Bruttonationaleinkommen lag 2004 bei 560 US-Dollar. Legt man das reale Pro-Kopf-Einkommen in Kaufkraftparitäten (PPP) zu Grunde, so waren es (2003) 1.714 US-Dollar (PPP). Nach Berechnungen des UNDP liegen die Komoren bei der "menschlichen Entwicklung" (ein zusammengesetzter Index) auf Platz 132 von insgesamt 177 erfassten Ländern der Erde. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei etwas über 63 Jahren, die Analphabetenrate bei 44 Prozent. Auffallend gering - vergleichen mit ähnlich armen Dritt-Welt-Ländern - ist der Zugang zur Schulbildung (Bruttoeinschulungsquote: 41 %).

Die offizielle Sprachen der Komoren sind komorisch, französisch und arabisch. Komorisch wird in arabischer Schrift geschrieben, jedoch mit der Besonderheit, dass die Vokale im Gegensatz zu den anderen in arabischer Schrift geschriebenen Sprachen immer als Diakrite (sozusagen Akzente) angezeigt werden. Es ist also die einzige Sprache, die arabisch geschrieben wird und deren Wörter Aussenstehende auch dann lesen und aussprechen können, wenn sie die Sprache nicht kennen. (Mir ist es dennoch nicht vergönnt.)

Ausgewählte Statistische Kennziffern:

Bevölkerung:
588.000 Einwohner (2004); 97 % Komorer (Mischbevölkerung aus Arabernm Madegassen und Bantu)

Wirtschaft:
BIP 2004: 367 Mio US-Dollar (2005: 370,6 Mio.); Anteil Landwirtschaft 41 %, Industrie 12 %, Dienstleistungen 47 %.
73 % der Bevölkerung leben auf dem Land und von der Landwirtschaft.
Die Arbeitslosigkeit betrug 2002 knapp 20 Prozent.
Import: 30,3 Mrd. FC (Komoren-Franc; 492 CF sind 1 EUR); vor allem Erdölprodukte (20 %), Nahrungsmittel (18 %), Fahrzeuge (13 %), Zement (5 %). Hauptlieferländer sind Frankreich (37 % aller Importe kommen von dort), Pakistan (14 %), Kenia (11 %) und Südafrike (9 %).
Export: 11,7 Mrd. FC; Vanille (78 %), Nelken (13 %), Ylang-Ylang (6 %); die Exporte gehen vor allem nach: Frankreich (39 %), USA (20 %), Deutschland (7 %).

Politik

Den Komoren wird nachgesagt, die höchste Putschrate der Welt zu haben. Ein halbes Dutzend - gelungener - Staatsstreiche gab es seit der Unabhängigkeit und mindestens 25 Versuche. Der 26. Staatsstreich fand 2005 statt - auf der Insel Anjouan fand ein Putsch gegen den dort regierenden Präsidenten Obersten Mohammed Bacar statt. Der Putsch schlug fehl. Bacar selbst organisierte den 27. Staatsstreich dann selber, als er an der Wahl zum Inselpräsidenten 2007 teilnahm, was die Zentralregierung aber nicht anerkannte. Erst nachdem alle Versuche fehlschlugen, Bacar aus dem Amt zu entfernen, entschlossen sich die Zentralregierung der Komoren und die Afrikanische Union zur Militäraktion.

Schwere Kritik an der Militäraktion kam aus Südafrika, berichtete der dpa-Korrespondent Ralf E. Krüger in n-tv (25.03.2008). "Dort verstand man nicht so recht, warum man die Muskeln spielen lassen müsse, solange nicht alle diplomatischen Wege erschöpft seien." Präsident Thabo Mbeki stufte die Intervention als überzogen ein. Im nationalen Rundfunk betonte er: "Ich halte das Ganze für sehr unglücklich, da es die Komoren durch die Anwendung von Gewalt zurückwirft!" Die Härte sei unnötig gewesen, zumal es friedliche Alternativen gegeben habe. Dieser Meinung ist auch die südafrikanische Außenministerin. "Es gibt keine Gewalt, es sind keine Menschenleben zu beklagen, es gibt keine sozialen Spannungen - zu einem gewissen Grad ist es ungewöhnlich, dort militärisch vorzugehen", erklärte wenige Tage vor der Militäraktion Nkosazana Dlamini-Zuma.

Dominic Johnson geht den Auseinandersetzungen zwischen den Inselpräsidenten etwas mehr auf den Grund und schreibt:
"Der Streit .. verdeckt eine viel wichtigere ökonomische Rivalität. Anjouans Hauptstadt Mutsamudu ist der einzige Tiefseehafen der Komoren. Bacar hat ihn zu einem Umschlagplatz des Seehandels im Indischen Ozean ausgebaut, den die Zentralregierung nicht kontrolliert: 30.000 Container werden monatlich in Mutsamudu umgeschlagen, fast alle im Transit, mit einer Gebühr von 2.400 Dollar pro Container für den Inselpräsidenten, behauptet die komorische Regierung. Das würde, wenn es stimmt, Einnahmen von 72 Millionen Dollar im Monat bedeuten, viel mehr, als der komorische Staat zur Verfügung hat. Größte Reederei in Mutsamadu ist die britisch-kenianische Firma Spanfreight, eine der wichtigsten aufstrebenden afrikanischen Schiffsgesellschaften mit Sitz in Kenias Ozeanhafen Mombasa. Das gefällt weder der Exkolonialmacht Frankreich noch den neuen nahöstlichen Freunden von Präsident Sambi.
Auf Anjouan sollen seit der Sezession von 1997 zudem rund 300 Offshore-Banken registriert sein, deren Finanzgeschäfte niemand kontrolliert. Mutmaßungen, die Insel diene als Geldwaschanlage, möglicherweise auch für Terroristen, sind daher nicht ganz unbegründet. Immerhin kommt der bis heute gesuchte mutmaßliche Urheber der Anschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998, Fazul Abdallah, von den Komoren."

(D. Johnson: Afrika greift auf Komoren ein, in: taz, 27. März 2008)

Schon 2005 hieß es in einer Reportage in der ZEIT: "Allerorten entdeckt man das Schild der wohltätigen Al-Haramein-Stiftung aus Saudi-Arabien, der man in Washington rege Kontakte zu terroristischen Organisationen nachsagt. So werden die Komoren im Westen wenigstens wieder wahrgenommen -- auf den Radarschirmen der CIA." (Bartholomäus Grill und Odile Jolys: Bloß weg von hier. DIE ZEIT, 09.06.2005)

Literatur
  • D-Day auf den Komoren. Von Ralf E. Krüger. In: n-tv, 25.03.2008.
    http://www.n-tv.de/938462.html?250320081314
  • Bartholomäus Grill, Odile Jolys: Bloß weg von hier. In: DIE ZEIT, 09.06.2005 Dominique Johnson: Afrika greift auf Komoren ein. In: taz, 27. März 2008.
  • Der Fischer-Weltalmanach 2007. Zahlen - Daten - Fakten, Frankfurt a.M. 2006
  • UNDP: Bericht über die menschliche Entwicklung 2005, Berlin 2005
  • Auswärtiges Amt: Länder- und Reiseinformationen - Komoren; Internet: http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/01-Laender/Komoren.html
Peter Strutynski


Zurück zur Komoren-Seite

Zurück zur Homepage