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Gekaufte Abstimmung

Rechte Parteien gewinnen Parlamentswahl in Kolumbien

Von André Scheer *

Die Rechte ist gestärkt aus den Parlamentswahlen in Kolumbien hervorgegangen. Die Regierungspartei »de la U« des amtierenden Staatschefs Álvaro Uribe konnte ihre Rolle als stärkste Kraft ausbauen und kommt nach Auszählung von fast 90 Prozent der Stimmen auf 24,92 Prozent. Die mit ihr verbündete Konservative Partei erreichte 21,69 Prozent und legte damit gegenüber der letzten Wahl von 2006 ebenfalls deutlich zu. Auf dem dritten Platz stagnieren die Liberalen mit 16 Prozent. Ihr folgen die Mitte-Rechts-Partei »Radikaler Wandel« und die ebenfalls mit Uribe verbündete Partei »Nationale Integration« (PIN) mit 7,9 Prozent. Diese Partei ist tief in den Skandal um sogenannte »Parapolitiker« verstrickt: Abgeordnete, die in Verbindung mit den paramilitärischen Todesschwadronen stehen und diesen für ihre Unterstützung in Wahlkämpfen Straffreiheit für begangene Verbrechen zusichern. Allein zwischen 2006 und Sommer 2008 wurden 30 Kongreßabgeordnete wegen ihrer Verbindungen zu den Paramilitärs verhaftet. Der Erfolg der PIN alarmiert deshalb auch den Vorsitzenden der Liberalen Partei, Rafael Pardo. Sie habe »im ganzen Land Ströme von Geld« investiert, um die Wahl von so vielen Abgeordneten »zu ermöglichen«, sagte er gegenüber Prensa Latina. Bereits vor Monaten habe er die zuständigen Behörden darauf aufmerksam gemacht, dort sei jedoch nicht reagiert worden.

Auch Wahlbeobachter berichteten über massive Stimmenkäufe. Das sei ein »weit verbreitetes Phänomen«, sagte der Chef der Beobachtermis­sion der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Enrique Correa, am Sonntag abend (Ortszeit) der Agentur AFP. Mitglieder seiner Mission hätten beobachtet, wie alte und behinderte Menschen zur Stimmabgabe für einen bestimmten Kandidaten genötigt worden seien; in anderen Fällen hätten sich Wähler für ihr Votum bezahlen lassen. Vom Stimmenkauf vor allem betroffen waren nach den Worten des kolumbianischen Wahlbeobachters Pedro Santana die Hochburgen der Paramilitärs im Nordwesten des Landes. Auch bei den zuständigen Behörden waren noch vor Schließung der Wahllokale am Sonntag bereits Hunderte Beschwerden über Manipulationen und Behinderungen eingetroffen.

Ein Verlierer der Wahl ist der linke Demokratische Alternative Pol (PDA), der zwei Prozentpunkte einbüßte und nur noch auf 7,5 Prozent der Stimmen kam. Auch dem als »Friedenswanderer« bekanntgewordenen Lehrer Gustavo Moncayo, der auf den PDA-Listen angetreten war, gelang der Einzug in das Parlament nicht. Wieder im Senat vertreten ist hingegen die liberale Politikerin Piedad Córdoba, die sich ebenfalls für eine politische Lösung des seit Jahrzehnten herrschenden Bürgerkriegs in dem südamerikanischen Land einsetzt.

Angesichts einer Wahlbeteiligung von nur knapp über 40 Prozent erklärte die linke kolumbianische Nachrichtenagentur ANNCOL die Wahlverweigerer zu den eigentlichen Siegern der Abstimmung. Unter der Überschrift »Prostituierte Wahlen« schreibt sie: »Das Geld des Drogenhandels findet in den Wahlen und in den Kandidaten des Regimes das perfekte Umfeld. Geisterstiftungen, Komitees mit doppelter Buchführung, Stimmenkauf, Spenden, geschmierte Beamte – alles ist erlaubt, damit das Geld entscheidet, welcher Kandidat gewählt wird.«

* Aus: junge Welt, 16. März 2010


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