Präsident Uribe unter Druck
Nationaler Streik- und Protesttag in Kolumbien *
In Kolumbien haben Bombenexplosionen mit 16 Verletzten einen von den Gewerkschaften
ausgerufenen landesweiten Streiktag überschattet. Sechs Sprengsätze detonierten in verschiedenen
vornehmen Vierteln von Bogotá.
Zehntausende Arbeiter des öffentlichen Dienstes demonstrierten am Donnerstag (23. Okt.) im Zentrum der Hauptstadt Bogotá gegen die »Kriminalisierung der sozialen Bewegungen« durch
die Regierung des rechtsgerichteten Präsidenten Álvaro Uribe. Dieser steht angesichts andauernder
Proteste auch von Ureinwohnern und Menschenrechtlern sowie Zerwürfnissen innerhalb der
Regierungskoalition zunehmend unter Druck.
Bei fünf fast zeitgleichen kleineren Bombenanschlägen in sind 16 Menschen leicht verletzt worden.
Der Polizeichef von Bogotá, General Rodolfo Palomino, erklärte auf einer Pressekonferenz, die
selbstgebauten Bomben seien in Mülleimern nahe der deutschen und der peruanischen Botschaft
sowie in der Nähe einer Filiale der US-Citibank und eines McDonalds-Restaurants hochgegangen.
Zu den Hintergründen der Explosionen oder möglichen Tätern machte die Polizei keine Angaben.
Bogotás sozialistischer Bürgermeister Samuel Moreno sprach von »sonderbaren« Explosionen. Sie
seien offenbar mehr darauf ausgerichtet gewesen, Unruhe zu verbreiten als Schaden anzurichten.
Der Chef des kolumbianischen Gewerkschaftsbundes CUT, Tarsicio Mora, verurteilte die
Gewalttaten, mit denen nach seinen Worten der soziale Protest und die friedlichen Demonstrationen
»beschmutzt« werden sollten. Am nationalen Streik- und Protesttag demonstrierten Mora zufolge
rund 400 000 Menschen, die meisten von ihnen in Bogotá.
FARC-Gefangener von Armee befreit
Die kolumbianische Armee hat am Sonntag (26. Okt.) einen vor mehr als sechs Jahren von der Guerilla gefangenen Politiker befreit. Das meldete der Rundfunk unter Berufung auf einen lokalen Behördenvertreter, ohne auf Details einzugehen. Der Abgeordnete Oscar Tulio Lizcano war im August 2002 von Rebellen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) entführt worden.
An den Aktionen beteiligten sich unter anderen die Gewerkschaften der Lehrer, des
Gesundheitswesens und der Behörden. Auch die seit Mitte September streikenden
Zuckerrohrschneider setzten ihren Ausstand fort. Die Gewerkschaften wandten sich gegen
Unterstellungen der Regierung, von der linksgerichteten FARC-Guerilla und der Opposition
»gesteuert« zu sein. Sie solidarisierten sich zudem mit den Forderungen der Ureinwohner nach
Rückgabe ihrer angestammten Ländereien und den Protesten gegen die Übergriffe auf die
indigenen Gemeinden durch Großgrundbesitzer und Staatsorgane, bei denen drei Ureinwohner ums
Leben kamen.
Am Donnerstag (23. Okt.) gab Uribe der Forderung der protestierenden Ureinwohner nach, die
Vertreter der indigenen Gemeinden am Sonntag in der drittgrößten kolumbianischen Stadt Cali zu
treffen, dem Ziel eines vor Tagen begonnenen Protestmarschs Tausender Indigenas. In einer
Ansprache am Vorabend hatte der Präsident ein Treffen mit Vertretern der Nationalen Organisation
der Indigenas Kolumbiens (ONIC) in der Stadt Popayán angekündigt, doch die Ureinwohner hatten
auf Cali bestanden. Der ONIC zufolge hat es seit Uribes Amtsantritt im Jahr 2002 mindestens 1200
Tote und 52 000 Vertriebene unter den Ureinwohnern gegeben. 18 Volksgruppen sind demnach von
der Ausrottung bedroht.
Die Uribe-Gegner werfen der Regierung nicht nur schwere Menschenrechtsverletzungen vor. Ihre
Proteste richten sich auch gegen ein Freihandelsabkommen zwischen Kolumbien und den USA
sowie gegen den so genannten Plan Colombia, der US-Hilfe für die Bekämpfung der verschiedenen
Rebellengruppen und des Drogenanbaus umfasst.
* Aus: Neues Deutschland, 25. Oktober 2008
Zurück zur Kolumbien-Seite
Zurück zur Homepage