Kolumbiens Campesinos fordern Schutz
Jüngste Runde der Friedensgespräche in Havanna erbrachte »Fortschritte«, aber keine Ergebnisse
Von David Graaff, San Vicente del Caguán *
Konkrete Ergebnisse wurden auch
nach dem Ende der siebten Runde der
Friedensverhandlungen zwischen kolumbianischer
Regierung und FARCGuerilla
nicht bekannt. Bauernorganisationen
fordern die Regierung unterdessen
auf, den Großgrundbesitz
einzuschränken und die kleinbäuerliche
Landwirtschaft zu schützen.
Von dort, wo der letzte Versuch
scheiterte, sollte ein neuer Impuls
für die Friedensverhandlungen in
Havanna ausgehen. In der kolumbianischen
Kleinstadt San Vicente
del Caguán, die um die Jahrtausendwende
Schauplatz der vorangegangenen
Friedensgespräche
zwischen FARC und Regierung
war, kamen in der vergangenen
Woche mehr als 3000 Vertreter
kleinbäuerlicher Organisationen
zu einem nationalen Treffen zusammen.
Sie forderten die Verhandlungspartner
auf, den sogenannten
bäuerlichen Schutzzonen
(Zonas de Reserva Campesina)
mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
»Die bäuerlichen Schutzzonen
sind das Werkzeug, um die in Kolumbien
überfällige Agrarreform
zu verwirklichen«, sagte César Jérez,
Sprecher des Nationalen Verbandes
der bäuerlichen Schutzzonen
(ANZORC) im nd-Gespräch.
»Den rechtlichen Rahmen dafür
gibt es schon, nur fehlt bisher der
politische Wille, ihn auszufüllen.«
Die Idee stammt aus den 80er
Jahren, als Rechtsfigur existiert sie
seit fast 20 Jahren, das Problem,
als dessen Lösung sie ihren Anhängern
gilt, besteht in Kolumbien
indes schon seit Anfang des 20.
Jahrhunderts:
Einst waren Bauern vor der
Ausbreitung des Großgrundbesitzes
insbesondere in die bis dahin
unbewohnten Flachlandregionen
im Osten Kolumbiens geflohen und
hatten sie besiedelt. Sehr bald aber
folgten ihnen Vieh- und Plantagenwirtschaft,
die wiederum eine
Konzentration des Landbesitzes
bewirkten, wodurch die Kleinbauern
erneut vertrieben wurden.
»Durch die Schutzzonen soll verhindert
werden, dass sich das Kapital
immer wieder die Ländereien
aneignet, die von den Kleinbauern
erst erschlossen wurden«, erklärte
der Soziologe Alfredo Molano, der
als geistiger Vater dieser Idee gilt.
Gegenwärtig existieren bereits
sechs solcher Schutzzonen, weitere
sechs Anträge werden derzeit
von der zuständigen Behörde bearbeitet.
In einer Abschlusserklärung
des Treffens in San Vicente
forderte die ANZORC die Einrichtung
weiterer 50 Zonen mit einer
Gesamtfläche von mehr als neun
Millionen Hektar. Während die
FARC-Guerilla, die den bäuerlichen
Siedlern ideologisch ohnehin
nahesteht, den Vorschlag begrüßte,
äußerten Regierungsmitglieder
und Vertreter verschiedener Interessenverbände
offene ihre Skepsis.
Insbesondere die Forderung
der FARC nach einer größeren
Verwaltungsautonomie für die
Schutzzonen stieß auf Ablehnung.
Kolumbiens Landwirtschaftsminister
Juan Camilo Restrepo
sagte, seine Regierung unterstütze
die Rechtsfigur zwar, aber eine
Parzellierung des Landes in »kleine
Republiken« könne man nicht
dulden. Der Präsident des Viehzüchterverbandes
José Felix Lafaurie
stimmte in die Kritik ein. Er
argwöhnte, dass die FARC in diesen
»ein rückständiges Wirtschaftsmodell
etablieren und die
Bauern politisch indoktrinieren«
wolle. Nicht von ungefähr lägen die
bäuerlichen Schutzzonen genau in
den Gebieten, in denen besonders
viel Koka angebaut werde und die
FARC militärisch am stärksten sei.
Auf diese Anmerkung reagierte
ANZORC-Sprecher César Jérez lächelnd:
»Das ist doch kein Wunder,
denn genau dort zeigt der
Staat seit Jahrzehnten keine Präsenz.
Die bäuerlichen Schutzzonen
richten sich nicht gegen den Staat.
Im Gegenteil: Wir sind dafür dass
er dort endlich Präsenz zeigt«,
sagte er im Gespräch mit »nd«.
Zwei Tage zuvor war in Havanna
die siebte Runde der Friedensverhandlungen
zu Ende gegangen.
In einer gemeinsamen
Erklärung betonten beide Seiten,
man habe Fortschritte in wichtigen
Punkten erzielt. Laut Humberto
de la Calle, Sprecher der Regierungsdelegation,
könnte das
Thema ländliche Entwicklung bereits
in der nächsten Verhandlungsrunde
im April abgeschlossen
werden. Über konkrete Ergebnisse
schwiegen sich beide
Seiten allerdings aus.
Immerhin gibt es Zeichen dafür,
dass die Verhandlungen voranschreiten:
Die Vereinten Nationen
und die Nationaluniversität
Kolumbiens wurden gebeten, mit
den Vorbereitungen für ein Forum
zu beginnen, bei dem die Vorschläge
der Zivilgesellschaft zum
Verhandlungspunkt »politische
Partizipation der FARC« zusammengetragen
werden sollen.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 27. März 2013
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