Schwarze Woche für Präsident Uribe
Paramilitärskandal in Kolumbien zieht Kreise
Von Tommy Ramm, Bogotá *
Trouble in Kolumbien: Neben einer neuen Verhaftungswelle gegen Politiker geriet die Polizei wegen illegalen Abhörens in die Kritik.
Kein Tag vergeht ohne Enthüllungen um die Verstrickungen kolumbianischer Politiker mit
paramilitärischen Gruppen. Anfang dieser Woche stellten der Oberste Gerichtshof und die
Generalstaatsanwaltschaft Haftbefehle gegen 20 Politiker aus – unter ihnen fünf
Kongressabgeordnete –, die vor sechs Jahren politische Abkommen mit den Paramilitärs
geschlossen hatten. Damit befinden sich mittlerweile zwölf Parlamentarier in Untersuchungshaft,
während zwei untergetaucht sind.
Bereits Ende 2006 kam das Treffen von mehr als 30 Politikern mit den Paramilitärs ans Licht, die
allerdings hartnäckig behaupteten, zu der Versammlung gezwungen worden zu sein. Erst jetzt sah
es die Justiz als bewiesen an, dass die betroffenen Politiker Vorteile besonders bei Wahlen aus der
illegalen Allianz gezogen hätten. Alle Festgenommenen stammen aus der nordkolumbianischen
Küstenregion, die als Hochburg der Paramilitärs gilt. Mit Ausnahme eines Abgeordneten gehören
alle inhaftierten Parlamentarier der Koalition um Staatspräsident Álvaro Uribe Vélez an, der trotz
anhaltend hoher Zustimmung in der Bevölkerung immer mehr unter politischen Druck gerät.
Dafür sorgten neue Aussagen des inhaftierten Paramilitärchefs Salvatore Mancuso, der bei einer
Anhörung auspackte: Er warf Vizepräsident Francisco Santos und Verteidigungsminister Juan
Manuel Santos enge Kontakte zu den Paramilitärs vor und nannte den Paramilitarismus
»Staatspolitik«.
Während Santos vor geraumer Zeit den Paramilitärs angeboten haben soll, ihre Aktivitäten auf die
Hauptstadt Bogotá auszuweiten, soll der Militärminister Treffen mit diesen abgehalten haben. Der
Vizepräsident erklärte, dass diese Treffen der Suche nach Verhandlungsfrieden dienten und forderte
die Generalstaatsanwaltschaft zu einer Untersuchung auf, um so seine Unschuld zu beweisen.
Damit könnten nun weitere Regierungsmitglieder in den Sog des seit Monaten anhaltenden
Paramilitärskandals gezogen werden. Bereits im Februar musste Außenministerin Maria Araújo
zurücktreten, da Familienmitglieder der Zusammenarbeit mit den rechten Milizen beschuldigt
wurden.
Doch damit nicht genug: Am Montag deckte die Wochenzeitung »Semana« einen weiteren Skandal
auf, der die komplette Polizeispitze betraf. In den letzten zwei Jahren wurden durch die
Geheimdienstabteilung der Polizei DIPOL mehr als 8000 Stunden Tonbandmaterial gesammelt, das
aus illegalem Abhören von Telefonaten und Gesprächen stammt. Betroffen waren demnach
Zeitungen, Kongressbüros von Oppositionsabgeordneten, die Staatsanwaltschaft und selbst der
Geheimdienst DAS. Umgehend setzte die Regierung elf Polizeigenerale ab. Allerdings blieb unklar,
wer die Abhöroffensive in Auftrag gab. »Die Regierung ist nicht daran interessiert, Journalisten
abzuhören«, erklärte Präsident Uribe, der dennoch gegen die Medien stichelte. »Ich bin strikt
dagegen, das die Medien ihre Quellen nicht offenbaren«, so Uribe gereizt, der darauf hinwies, dass
die Regierung bisher die Pressefreiheit geachtet habe. Gleichzeitig versicherte er dem
Verteidigungsminister und Vizepräsident Santos seine Unterstützung. Letzterer hatte erst wenige
Tage zuvor in einem Interview erklärt, dass bis zu 40 Abgeordnete in Zukunft von der Justiz belangt
werden könnten und hinter Gittern landen würden. Dass sein eigener Name nun fiel, zeigt das ganze
Ausmaß des paramilitärischen Einflusses in der Politik.
* Aus: Neues Deutschland, 19. Mai 2007
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