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Medienkrieg in Bogotá

Kampf zwischen FARC-Guerilla und Regierung Uribe erreicht Europa. Kommandant gibt Interview. Spaniens Justiz verhaftet Aktivistin

Von Ingo Niebel *

Nach den Militärschlägen gegen die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) Anfang März und der Befreiung von 15 Gefangenen Anfang dieses Monats nahm die Führung der Guerillaorganisation nun erstmals öffentlich Stellung. Einem Korrespondenten des lateinamerikanischen Fernsehsenders Telesur gelang es Ende vergangener Woche, mit Iván Márquez ein Mitglied aus dem Sekretariat des Generalstabs der FARC zu interviewen.

Mit Blick auf die spektakuläre Befreiung der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt und 14 weiterer Gefangener am 2. Juli blieb Márquez bei der bisherigen Linie der FARC: Die Aktion sei durch Verrat in den eigenen Reihen ermöglicht worden. Auf die Kritik des ehemaligen kubanischen Staats- und Regierungschefs Fidel Castro an der Inhaftierung politischer Vertreter sagte er: »Den FARC steht das Recht zu, alle Mittel einzusetzen, um die Freilassung aller Guerilleros sowohl aus den Gefängnissen des Regimes als auch aus denen des Imperiums zu erreichen«. Die Situation seiner gefangenen Genossen verglich er mit der Lage der »Cuban Five«, fünf in den USA einsitzenden kubanischen Informanten, die im Auftrag Havannas antikommunistische Terrorgruppen in den USA überwacht hatten.

Berichte über eine mögliche Schwächung der FARC wies Márquez hingegen zurück. Wenn dem so wäre, würden die USA ihre Militärbasis aus dem ecuadorianischen Manta nicht ins kolumbianische Tres Esquinas verlegen, konterte er auf die Frage des Telesur-Journalisten William Parra. Vor einem Friedensabkommen mit einem künftigen Kabinett müßten die Regierungstruppen zunächst in ihre Kasernen zurückkehren und US-amerikanische Militärs das Land verlassen. Auch die neue Generation von FARC-Kommandanten werde der Linie ihres im Mai verstorbenen Anführers Manuel Marulanda folgen, bekräftigte Márquez.

Am Samstag (26. Juli) nahm die Polizei in Spanien indes die Lateinamerika-Aktivistin María Remedios García Albert unter dem Verdacht fest, für die FARC in Europa tätig gewesen zu sein. Die Tageszeitung El País machte aus der Spanierin »die höchste Verantwortliche der FARC für Europa« und verdächtigte sie der Geldwäsche für die Guerillaorganisation. Das Blatt berief sich auf belastende Mails, die von den Computern des im März ermordeten FARC-Kommandanten Raúl Reyes stammen sollen. Aber bereits am Sonntag kam García nach einem Verhör gegen Zahlung einer Kaution von 12000 Euro wieder frei. Trotzdem drohen weitere Verhaftungen: Spanische und kolumbianische Staatsanwälte suchen nach eigenen Angaben auf Reyes Computern nach Beweisen für eine Kooperation zwischen den FARC und der baskischen Untergrundorganisation ETA (Baskenland und Freiheit).

Medien der venezolanischen Opposition meldeten am Samstag derweil die Verhaftung eines mutmaßlichen FARC-Anführers. Die Nationalgarde habe am Freitag Gabriel Culma Ortiz auf einem Flughafen in Venezuela festgenommen. Er soll sich seither in Gewahrsam der Geheimpolizei DISIP befinden, die teilweise unter dem Einfluß der Opposition steht.

* Aus: junge Welt, 29. Juli 2008


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