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Vom Strauch bis in die Tasse

Kolumbiens Kaffeeverband verfügt über eine ungewöhnlich lange Wertschöpfungskette

Von Knut Henkel, Bogotá *

Kolumbiens Kaffeebauern bringen ihre Bohnen seit einigen Jahren selbst an den Kunden. Möglich macht es die eigene Kaffeehauskette, die mit ihren gut 150 Filialen auch im Ausland aktiv ist. Starbucks & Co. sehen sich einem potenten Konkurrenten gegenüber.

Das rote Logo mit dem schnurrbärtigen Kaffeebauern und dem Esel Conchita prangt gleich neben dem Eingang zum Kulturzentrum Gabriel García Márquez. Hier in der Altstadt von Bogotá hat »Juan Valdez«, die Marke der Kaffeebauern Kolumbiens, eine Filiale eröffnet. Die Geschäfte laufen gut, denn Espresso, Capuccino und Co. sind auch in Kolumbien en vogue. Mehr als ein gutes Dutzend Kaffeespezialitäten sind neben dem »Tinto«, wie der traditionell aufgebrühte Bohnenkaffee hier heißt, ebenso im Angebot wie Kuchen und Sandwich.

»Von der Bohne bis zur Tasse« lautet das Motto, unter dem »Juan Valdez« agiert. In den letzten sieben Jahren wurde eine Kaffeehauskette aus dem Boden gestampft, und auch im internationalen Vergleich müssen sich die Kolumbianer nicht verstecken. In warmen Farben, ocker und weinrot, präsentieren sich die professionell ausgestatteten Kaffeehäuser. Den nationalen Markt hat »Juan Valdez« mit derzeit 120 Filialen bereits aufgerollt.

Das Signal zur Offensive setzte Präsident Álvaro Uribe Vélez persönlich. Der stellte im September 2002 die Expansionspläne des Kaffeeverbandes mit dem markigen Satz vor: »Jetzt verkaufen wir unseren guten Kaffee auch tassenweise und nicht mehr nur in Säcken abgefüllt.« Was Starbucks kann, können wir auch – lautet seitdem das Motto. Das Kapital lieferte anfangs die staatliche kolumbianische Bank Bancoldex. Später gründete der Kaffeeverband ein eigenes Marketingunternehmen namens Procafecol, welches die Geschicke der Kette steuert. Überaus erfolgreich, denn neben den 120 Coffeeshops in Kolumbien unterhält »Juan Valdez« auch acht Filialen in den USA, zehn in Ecuador, zehn in Chile und zwei in Spanien.

Auch den deutschen Markt habe »Juan Valdez« im Blick, sagt Catalina Crane Arango. Die Präsidentin von Procafecol hält sich bezüglich des Ausbaus des Filialnetzes hingegen bedeckt. Angesichts der internationalen Finanzkrise werden die Investitionspläne für 2010 derzeit unter die Lupe genommen.

Das bisherige Wachstumstempo, als die Zahl der Kaffeehäuser von 57 im Jahr 2006 auf 125 im Jahr 2007 locker verdoppelt wurde, ist gedrosselt worden. Gerade im US-Markt, der für die Kolumbianer ausgesprochen attraktiv ist, ist die Konkurrenz von Starbucks und Co. mächtig. Von Starbucks, dem in der Krise steckenden Renommierbetrieb aus Seattle, wollen die Kolumbianer lernen, wie man es nicht macht. Procafecol ist daher etwas auf die Bremse getreten.

So genießt derzeit der Online-Verkauf mehr Augenmerk. Auch bei der Präsenz in großen Supermärkten und in den Kooperationen mit Restaurants wird Potenzial gesehen, um den Absatz weiter anzukurbeln. In 1300 US-Supermärkten ist Kaffee »Hecho en Colombia« derzeit zu haben und die Nachfrage nach Gourmet-Qualität steige in den USA, freut sich Crane Arango.

Beim Nachschub gibt es keine Probleme. Kolumbien ist nach Brasilien und Vietnam drittgrößter Kaffeeproduzent der Welt und die feine Arabica-Qualität unter dem Logo von »Juan Valdez« ist weltweit bekannt. Seit 1959 wird kolumbianischer Kaffee unter diesem Logo weltweit verkauft. So manche internationale Sportveranstaltung wurde bereits gesponsort. Gleichwohl wurde in diesem Jahr deutlich weniger Kaffee exportiert. Bis Oktober verließen 5,9 Millionen Sack zu 60 Kilogramm die Lager in Kolumbien – 29 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum 2008. Kompensiert wurde der Rückgang bei den Mengen allerdings durch höhere Preise, so Luis Genaro Muñoz vom nationalen Kaffeeverband, dem 500 000 Familien angehören. Gut, dass dieser über eine ungewöhnlich lange Wertschöpfungskette von der Kaffeekirsche bis zur Tasse verfügt.

* Aus: Neues Deutschland, 28. November 2009


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