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FARC Kolumbiens entließ letzte Politikergeisel

Jetzt noch 22 Polizisten und Soldaten in Gewalt der Guerilla

Von Tommy Ramm, Bogotá *

Das Scheitern war nahe, doch am Ende erlangten wie erwartet sechs Geiseln der kolumbianischen FARC-Guerilla die Freiheit wieder. Darunter war auch der Politiker Sigifredo López.

Der Argwohn innerhalb der kolumbianischen Regierung ist geblieben. Auch nach der Freilassung von sechs Geiseln in den letzten Tagen durch die FARC-Guerilla schwor der kolumbianische Präsident Álvaro Uribe Vélez seine Landsleute weiter auf seinen harten Kurs gegen die Rebellen ein. Die Regierung werde trotz der Freilassungen weiterhin versuchen, die verbliebenen Entführten durch Armeeoperationen zu befreien und die Rebellen militärisch in die Enge zu treiben. »Wir sind bereit zum Frieden, aber nicht zur Täuschung. Wir sind bereit für einen Gefangenenaustausch, jedoch nicht zum Erstarken des Terrorismus«, so Uribe. In anderen Worten: unter seinem Mandat werde es nicht zu direkten Verhandlungen mit den Rebellen kommen, sollten diese nicht die Auflösung ihrer Organisation zum Ziel haben.

Die Geschehnisse der letzten Tage zeigten, dass sich die Regierung als Beobachter in der zweiten Reihe unsicher fühlte. Die Organisation »Kolumbianer für den Frieden«, die sich aus Intellektuellen des Landes zusammensetzt, leitete gemeinsam mit Brasilien als Unterstützer und dem Internationalen Roten Kreuz die Befreiungsaktion, die durch die Regierung an den Rand des Abbruchs geführt wurde. Aufklärungsflüge der Luftwaffe verzögerten die Übergabe von vier Entführten am Sonntag, wenig später kanzelte Uribe die Vermittlerin Piedad Córdoba ab, sie habe den FARC eine politische Show zum Schaden des Landes erlaubt.

Derartiges wollte der Hochkommissar für Frieden, Luis Carlos Restrepo, um jeden Preis verhindern, als er am Dienstag kurzerhand der Presse den Zugang zum Flugplatz verwehrte, auf dem der befreite Politiker Alán Jara landen sollte. Der Skandal ließ wenig später die Regierung die Entscheidung von Restrepo annullieren, worauf dieser wutschnaubend den Flughafen verließ und seinen Rücktritt ankündigte. Zwar weigerte sich Uribe, diesen anzunehmen, doch bis heute blieb der Hochkommissar unauffindbar.

Unterdessen bemühen sich die Vermittler nach der Freilassung des letzten Politikers Sigifredo López am Donnerstag um weitere Freilassungen durch die FARC-Guerilla. Die Senatorin Córdoba überreichte der Guerilla einen an deren Militärchef gerichteten Brief, in dem sie die Rebellen aufruft, weitere Entführte auf freien Fuß zu setzen. 22 verschleppte Polizisten und Soldaten, die als »austauschbar« gegen inhaftierte Rebellen gelten, befinden sich weiter in der Gewalt der FARC. Die Aussichten sind nicht schlecht: Während einige Beobachter davon ausgehen, dass sich die FARC mit den Freilassungen von dem Stigma einer auf Entführungen geeichten Guerilla lösen wolle, um so ihr international angekratztes Ansehen aufzupolieren, gehen andere davon aus, dass die Entführten für die geschwächten Rebellen logistisch immer mehr zu einem Problem werden.

Für den ehemals Entführten Luis Eladio Pérez hat die Freilassung von den drei Polizisten, einem Soldaten und den letzten zwei Politikern dagegen strategische und politische Bedeutung. Die Geiseln seien laut Pérez die zeitlich am kürzesten entführten Sicherheitskräfte mit dem niedrigsten Rang gewesen, womit nun ausschließlich noch Offiziere und Unteroffiziere in Gefangenschaft verbleiben würden, die für einen geforderten Gefangenenaustausch unter Einhaltung internationaler Regeln in Frage kämen.

Eine erste Reaktion der FARC gab es bereits: Córdoba erklärte, dass ihr bei der Befreiung von López ein Brief des obersten FARC-Chefs Alfonso Cano übergeben wurde, in dem »die Botschaft von Cano eine große Möglichkeit für eine Friedenssuche ist«.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Februar 2009


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