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"Das Volk besitzt den Schlüssel"

Kolumbianische FARC-Guerilla verkündet aus Havanna ihren Friedensfahrplan

Von Leo Burghardt, Havanna *

Die kolumbianische FARC-Guerilla ist auch ohne eine Waffenruhe zu Friedensgesprächen mit der Regierung bereit. Eine Kampfpause wäre aber besser für eine endgültige Einigung, sagte FARC-Sprecher Marcos Calarca am Wochenende. Die zweite Verhandlungsetappe soll in Havanna stattfinden.

»Unsere Erkundungstreffen sind beendet. Begonnen haben die Gespräche mit der Regierung über den beschwerlichen, notwendigen Weg, einen gesicherten und dauerhaften Frieden herzustellen.« Mit diesen lakonischen Sätzen verkündete Comandante Mauricio Jaramillo von der kolumbianischen Guerilla FARC (Bewaffnete Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) in Havanna anstehende Friedensverhandlungen mit Kolumbiens Regierung. Dasselbe tat simultan in Bogotá Präsident Juan Manuel Santos.

Seit Februar wurde in Havanna verhandelt, um die Möglichkeiten für Friedensgespräche auszuloten. Der Auftritt erfolgte im Kongresspalast vor der nationalen und internationalen Presse. In einem Video, das Jaramillo mitgebracht hatte, wandte sich FARC-Chef Rodrigo Londoño an alle Landsleute, »deren Mitwirkung unerlässlich ist. Der Schlüssel zum Frieden befindet sich weder in der Tasche des Präsidenten noch des FARC-Anführers. Das Volk besitzt ihn.« Er spielte damit auf eine zwei Jahre alte Bemerkung von Santos an, der Schlüssel zum Frieden befindet sich in seiner Tasche. »Vergeuden wir keine Zeit, er könnte sonst verloren gehen«, so Londoño. Die Guerilla werde ohne Groll und Arroganz in die Gespräche gehen, um einen Frieden, der auf Versöhnung und Verständnis beruht, zu erreichen, und der die Gründe die zur bewaffneten Konfrontation geführt haben, beseitigt. Er bedankte sich für die hervorragende Mitarbeit Venezuelas, das verlässliche Handeln Norwegens und die besorgte Beharrlichkeit der kubanischen Regierung, »ohne die der lange Weg nicht erfolgreich zum Hafen geführt hätte«. Havanna war zehn Jahre lang wiederholt Gastgeber für beide Seiten.

Am 5. Oktober ist Oslo der erste Ort der Gespräche, danach folgt Havanna. Begleitet werden die Treffen von Vertretern Venezuelas und Chiles. Fidel Castro wird es eine verdiente Genugtuung sein, er war es ja, der seine »buenos oficios«, seine »guten Dienste« als Vermittler vor langer Zeit angeboten hatte und diese Rolle aktiv spielte, ungeachtet der voraussehbaren Schmähungen von Seiten seiner Feinde. Er packte auch die FARC-Unterhändler mitunter hart an, so als es um dubiose Methoden und Finanzquellen ging, mit denen die Guerilla ihre Existenz finanzierte.

Die FARC-Guerilla entstand 1964 als Reaktion auf die Ereignisse, die 1948 durch die Ermordung des liberalen Präsidenten Jorge Eliecer Gaitán ausgelöst wurden: Die »tragische Woche« in Bogotá, die als Bogotázo mit 1000 Toten in die Geschichte einging, und die darauf folgende zehnjährige Phase der hemmungslosen Gewalt der »La Violencia«, die mindestens 200 000 Todesopfer, vor allem Bauern, forderte und so ein Prozent der Bevölkerung ausrottete. Aus dieser Gewaltspirale ist Kolumbien bis heute nicht herausgekommen. Die Friedensverhandlungen sollen das ändern.

* Aus: neues deutschland, Montag, 10. September 2012


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