Kolumbien: Friedensprozess endgültig gescheitert
Pastrana lässt Truppen gegen FARC-kontrollierte Zone marschieren
Am 20. Februar 2002 verkündete der kolumbianische Präsident Andrés Pastrana, der vor über drei Jahren begonnene Friedensprozess mit den Aufständischen der FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) sei endgültig gescheitert. Die Armee erhielt den Befehl, die entmilitarisierte Zone, die als eine Art "Friedenslabor" den Rebellen überlassen worden war, wieder einzunehmen. Zuvor war der Senator Jorge Gechem entführt worden, was der FARC angelastet wurde. Luftpiraten hatten am 20. Februar eine Maschine der kolumbianischen Fluggesellschaft Aires inihre Gewalt gebracht und im Süden des Landes zur Landung gezwungen. Dann seien sie mit Senator Gechem geflohen. Der Politiker gehört einer prominenten Familie an, die in der Vergangenheit schon häufiger von Entführungen betroffen gewesen war. FARC-Sprecher Raul Reyes bestritt, dass seine Organisation mit der Entführung etwas zu tun habe. Er gab Pastrana die Schuld am Zusammenbruch der Verhandlungen.
Am 21. Februar, kurz nach Mitternacht, begann eine groß angelegte Militäraktion der kolumbianischen Armee gegen die FARC-Guerilla in der von der FARC kontrollierten Zone. 200 Einsätze mit Kampfflufzeugen gegen 85 Ziele seien in der ersten Angriffswelle geflogen worden, hieß es aus Regierungskreisen. Tausende von Soldaten stünden bereit, mit Unterstützung gepanzerter Fahrzeuge und von Hubschraubern in die Zone einzudringen. Die USA stellten sich einen Tag später demonstrativ hinter die Maßnahmen der Regierung gegen die "terroristischen Angriffe" der Guerilla. Die US-Regierung werde Bogotá weiter "in spezieller Form" unterstützen. Auf Unterstützung kann Pastrana auch von Seiten der EU rechnen, sagte der außenpolitische Beauftragte der EU, Javier Solana, am 22. Februar.
Der Abbruch des Friedensprozesses lag schon länger in der Luft. Im Mai wird in Kolumbien gewählt und da will die Regierung natürlich Erfplge im Kampf gegen die Rebellen vorwiesen. Außerdem drängen die US-Berater auf ein entschiedeneres Vorgehen gegen die FARC. Wenige Tage vor dem Einsatzbefehl Pastranas veröffentlichte die "junge welt" ein Interview mit einem Vertreter der FARC. Auch darin wird deutlich, dass eine Einigung mit der Regierung nicht mehr erwartet worden war.
Pst
Im Folgenden dokumentieren wir das erwähnte Interview.
Friedensgespräche in Kolumbien:
Keine Einigung mit Regierung möglich?
jW fragte Juan Antonio Rojas, Sprecher der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC).
Interview: Harald Neuber
F: Ende Mai finden in Kolumbien Präsidentschaftswahlen statt. Wie
wirkt sich der Wahlkampf bislang auf die bis zum 7. April
verlängerten Friedensgespräche zwischen der Regierung und den
FARC aus?
Zu den Friedensanstrengungen trägt das kaum bei, denn die
Kandidaten der großen Parteien versuchen sich in ihrer
Kriegsrhetorik zu überbieten. Mit dem rechten Kandidaten Alvaro
Uribe Velez ist ein Politiker aufgestellt worden, der über beste
Kontakte zu paramilitärischen Gruppen verfügt. Das, was er sagt,
unterscheidet sich qualitativ aber kaum von den Ankündigungen des
Kandidaten der Liberalen, Horacio Serpa. Während Uribe Velez aus
seinen Plänen, den bewaffneten Konflikt zur Eskalation zu treiben,
keinen Hehl macht, beschränkt sich Serpa auf eine »harte Linie«
gegenüber der Guerilla. Dazu gehört auch seine Drohung, die
entmilitarisierte Zone aufzulösen. Im Kern vertreten beide
Kandidaten aber das gleiche Lager.
F: Hat der von den USA deklarierte Krieg gegen den Terrorismus zu
einem Wechsel in der Politik der etablierten Parteien in Kolumbien
beigetragen?
Auf jeden Fall. Mit den Ankündigungen Washingtons, Kolumbien mehr
Militärhilfe zur Verfügung zu stellen, hat nicht nur das Militär in
unserem Land an Einfluß gewonnen. Auch die Befürworter eines
militärischen Vorgehens finden mehr Beachtung.
F: Die Regierung besteht auf ein Ende der Entführungen. Warum läßt
sich hier keine Übereinkunft finden?
Weil die Regierung unaufrichtig mit dem Thema umgeht.
Entführungen werden in Kolumbien von allen Kräften durchgeführt.
Die Armee entführt Menschen, die Paramilitärs, selbst die Polizei. Das
wird von der Regierung allerdings nicht angesprochen. Tatsache ist,
daß es sich bei den sogenannten Entführten der FARC um
Festnahmen handelt. Es wird gemeinhin vergessen, daß wir in dem
von uns kontrollierten Gebiet Polizeifunktionen ausüben. Nehmen wir
also jemanden fest, der gegen das Gesetz verstößt, geht er als
Entführter in die Statistik der Regierung ein. Weigert sich ein
anderer, Steuern zu zahlen und wird deswegen festgenommen,
beklagt die Regierung seine Entführung. Selbst Soldaten, die
während Gefechten in Gefangenschaft geraten, sind in den Augen der
Regierung Entführte. Tatsächlich sind es aber Kriegsgefangene, ein
Umstand, den die Regierung sich weigert anzuerkennen.
F: Mit der Wiederaufnahme der Friedensgespräche im Januar sitzen
auch die Vereinten Nationen am Verhandlungstisch. Zugunsten
welcher Seite?
Die UN haben ebenso wie die befreundeten Staaten die Aufgabe
übernommen, die Verhandlungen zu begleiten und gegebenenfalls zu
vermitteln. Wir begrüßen diesen Schritt. Dadurch, daß die
internationale Gemeinschaft mit uns in Kontakt tritt, wird in gewisser
Weise auch dem Versuch der US-Regierung und ihrer Verbündeten in
Kolumbien entgegengewirkt, die Guerilla als Terroristen politisch zu
isolieren.
Aus: junge welt, 19. Februar 2002
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