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Caracas will Frieden, Bogotá Krieg

Venezuelas Präsident setzt sich weiter für Gefangene in Kolumbien ein

Von Harald Neuber *

Angehörige der seit über vier Jahren in Kolumbien verschleppten französisch-kolumbianischen Politikerin Ingrid Betancourt haben darum gebeten, daß der venezolanische Präsident Hugo Chávez weiter zwischen Guerilla und Regierung des Nachbarlandes vermittelt. Am Montag (3. Dezember) empfing der Staatschef die kolumbianische Senatorin Piedad Córdoba sowie Astrid Betancourt und Yolanda Pulecio, Schwester und Mutter der 45jährigen. Sie wird seit gut vier Jahren von der Guerillaorganisation Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC) als »Kriegsgefangene« festgehalten. Bereits am Sonntag (2. Dez.) hatten deren Familienmitglieder im venezolanischen Fernsehen die Hoffnung geäußert, daß Chávez seine Mission wieder aufnehmen könnte.

Ende August war die linksliberale Senatorin Córdoba von Kolumbiens Präsidenten Álvaro Uribe beauftragt worden, auf einen Austausch der Gefangenen von Regierung und FARC-Guerilla hinzuwirken. Sie nahm Chávez mit ins Boot. Die anfängliche Unterstützung Uribes für das Duo hatte politische Beobachter erstaunt, denn seit seinem Amtsantritt war der Hardliner Uribe stets für eine gewaltsame Lösung des jahrzehnte währenden Konfliktes eingetreten. Keine zwei Monate später kehrte zu seinem alten Kurs zurück. Per Pressemitteilung entzog er Chávez und Córdoba am 21. November das Mandat wieder. Damit brüskierte er nicht nur die Angehörigen der 45 FARC-Gefangenen, er löste auch eine andauernde Krise mit dem Nachbarland aus.

Bei dem Treffen mit den Angehörigen nahm Chávez kein Blatt vor den Mund. Sein Amtskollege in Bogotá sei nichts als ein »ehrloser Lügner« und dessen Hochkommissar für den Frieden, Luis Carlos Restrepo, eher ein »Kriegskommissar«. Die Wut des Venezolaners liegt vor allem in der Festnahme dreier mutmaßlicher Kuriere der FARC am Donnerstag vergangener Woche begründet. Die beiden Frauen und ein Mann waren nach Angaben des kolumbianischen Geheimdienstes mit fünf Videobändern im Gepäck festgesetzt worden. Die Aufnahmen und Schriftstücke, die einen Tag später öffentlich gemacht wurden, zeigten unter anderem Ingrid Betancourt in körperlich und psychisch schlechtem Zustand.

Chávez kritisierte die Festnahme der Kuriere harsch. Das Material sei für ihn bestimmt gewesen, sagte der venezolanische Präsident, um darauf zu verweisen, daß die Guerilla ihre Verpflichtung damit erfüllt habe.

Der jähe Abbruch der Verhandlungen und die kurz danach erfolgten Festnahme der Kuriere lassen vermuten, daß Bogotá von Beginn an ein doppeltes Spiel getrieben hat. Ein Indiz dafür lieferte auch die Stellungnahme eines hochrangigen kolumbianischen Militärs. General Freddy Padilla erklärte am Montag nachmittag (Ortszeit), die Armee sei jederzeit zur gewaltsamen »Befreiung der Geiseln« bereit. Man warte nur auf den Befehl des Präsidenten.

* Aus: junge Welt, 5. Dezember 2007


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