Ende der Hoffnung
Kolumbiens Präsident Uribe entzieht seinem venezolanischen Amtskollegen das Mandat für Vermittlung mit Guerilla
Von Harald Neuber *
Am Mittwoch nachmittag war Hugo Chávez noch zuversichtlich, zu einer Lösung des bewaffneten und sozialen Konfliktes im benachbarten Kolumbien beitragen zu können. Nach seiner Rückkehr aus dem Mittleren Osten und Europa trat er in Caracas vor Tausenden Anhängern auf: »Ich wurde dazu verpflichtet, ein humanitäres Abkommen und Frieden in Kolumbien zu erreichen«, sagte er, »und ich bin mir sicher, daß dies von Venezuela und von Kolumbien gewünscht wird«. Seine Sicherheit sollte nur noch wenige Stunden währen. Am frühen Mittwoch abend veröffentlichte das Büro des kolumbianischen Staatschefs Álvaro Uribe im rund 1000 Kilometer südlich gelegenen Bogotá eine Erklärung, die den diplomatischen Bemühungen Chávez’ ein jähes Ende setzte. »Der Präsident der Republik erklärt die Unterstützung der (kolumbianischen, d. Red.) Senatorin Piedad Córdoba und die Vermittlung von Präsident Hugo Chávez für beendet«, hieß es in der kurzen Note. Bei beiden bedanke man sich für ihr Bemühen.
Der Abbruch der Verhandlungsmission kam äußerst überraschend. Am Vortag noch hatte Uribe die Mission seines venezolanischen Amtskollegen bis zum 31. Dezember verlängert. Bis dahin sollte Chávez die Guerillaorganisation »Revolutionäre Streitkräfte Kolumbeins« (FARC) unter anderem dazu bewegen, Lebenszeichen ihrer 45 Gefangenen vorzuweisen. Den Auftrag zur Vermittlung hatte Chávez von Uribe Ende August offiziell erhalten. Gemeinsam mit der linksliberalen Senatorin Piedad Córdoba sollte er auf einen Austausch der Gefangenen von Guerilla und Regierung hinwirken. In der Gewalt der FARC befinden sich 45 Personen, die Regierung hält rund 500 Guerilleros gefangen.
Begründet wurde der Abbruch von kolumbianischer Seite mit einem Telefonat zwischen Chávez und dem kolumbianischen Heereschef, General Mario Montoya. Córdoba habe den Militär, so heißt es in der präsidialen Erklärung, telefonisch um ein Treffen gebeten und den Hörer dann an Chávez weitergegeben. Dieser habe Montoya daraufhin Fragen zu den Gefangenen der FARC gestellt. Damit habe er gegen eine Anweisung aus Bogotá verstoßen, direkte Gespräche mit kolumbianischen Militärs zu unterlassen.
Angehörige der Gefangenen reagierten am Donnerstag geschockt auf die einseitige Beendigung der Verhandlungen. Marleny Orjuela, die Sprecherin der Angehörigen der FARC-Gefangenen, bezeichnete die Nachricht als »trauriges Erwachen für die Familien«. Für sie stelle die Entscheidung einen »schweren Fehler« dar, sagte Orjuela im privaten Radiosender Caracol. Die Angehörigen der Gefangenen fordern von der Regierung seit Jahren einen humanitären Gefangenenaustausch. Präsident Uribe setzt hingegen auf eine militärische Lösung. Bei gewaltsamen Befreiungsversuchen waren in den vergangenen Jahren mehrere Gefangene zu Tode gekommen.
Kolumbiens Regierung stellt sich mit der Entscheidung auch gegen internationale Organisationen und Drittstaaten, von denen die Vermittlungsmission des venezolanischen Staatschefs unterstützt wurde. Nach einen Treffen zwischen Chávez und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy Anfang der Woche hatte dessen Berater Jean-David Levitte noch erklärt, Paris traue allein Chávez eine Lösung der Gefangenenkrise zu. Frankreich hat großes Interesse an einer solchen Lösung: Unter den Gefangenen der Guerilla befindet sich auch die franko-kolumbianische Politikerin Ingrid Betancourt.
* Aus: junge Welt, 23. November 2007
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