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Fragiles Geschäft mit Blumen

Chrysanthemen aus Kolumbien – ein Auslaufmodell?

Von Knut Henkel, Medellín *

Kolumbien ist nach den Niederlanden der wichtigste Lieferant von Schnittblumen auf dem Weltmarkt. Nicht nur wie jetzt zum Muttertag herrscht Hochbetrieb auf den Farmen. Doch die Perspektiven des Exportsektors sind alles andere als rosig.

Margarita Aguirre nimmt einen Bund Chrysanthemen aus dem Wassereimer, kontrolliert die Qualität der frisch geschnittenen Blumen und reicht sie an ihre Kollegin Leyda Gámez weiter, die sie mit einigen schnellen Handgriffen verpackt. Chrysanthemen sind auf der Blumenfarm Tahami das wichtigste Produkt, doch auch Sonnenblumen, Astern und Strelitzien werden hier gezogen und zu Bouquets arrangiert. Diese werden dann per Flugzeug oder Schiff gen USA und Europa exportiert.

Im Valle de San Nicolás ist die Produktion von Schnittblumen der wichtigste Wirtschaftssektor. Über zehntausend Menschen leben von den farbenfrohen Blumen aus den lang gestreckten folienverkleideten Gewächshäusern, die das Tal prägen. 18 Prozent der kolumbianischen Blumenproduktion stammen aus der Hochebene vor den Toren der zweitgrößten Stadt Medellín. Jedes Jahr gibt es einen farbenfrohen Umzug im Zeichen von Chrysantheme, Hortensie und Co.

Doch Margarita Aguirre und ihre Kolleginnen schauen nicht allzu optimistisch in die Zukunft. Den Blumenfarmen geht es alles andere als gut, denn der kolumbianische Peso hat deutlich gegenüber dem Dollar aufgewertet, wodurch die Einnahmen der Exporteure sinken. Zudem tobt auf dem US-Markt ein verheerender Preiskampf. »Da aber das Gros in die USA geht und bei Blumen eher gespart wird als bei Lebensmitteln, schrumpfen die Gewinnmargen«, erklärt Federico Cock-Correa, Besitzer der Farm Tahami und zugleich aktives Mitglied im Verband der Blumenzüchter (Asocolflores). Ein knappes Dutzend Farmen in der Region hat bereits Konkurs angemeldet, 4000 von einst 14 000 Arbeitern wurden entlassen.

Angst geht auch auf der Farm Tahami um, wo rund 250 Frauen und Männer arbeiten. Das Unternehmen, zu dem noch drei weitere Plantagen gehören, gilt als Musterbetrieb des nationalen Blumenverbandes – mit überdurchschnittlichen Arbeitsbedingungen. »Fortbildung wird groß geschrieben und auch die Gesundheitsversorgung ist gut«, erklärt Margarita Aguirre. Die kräftige Frau mit der silbernen Brille ist Mutter von drei Kindern – ihr Mann hat sich mit einer anderen aus dem Staub gemacht. Viele der Frauen, die hier arbeiten, sind alleinerziehend – ihre Männer kamen während des Bürgerkriegs um oder siedelten sich auf der Suche nach Arbeit anderswo an.

Auch Leyda Gámez ist zufrieden mit den Arbeitsbedingungen, zumal sie über das Wohnungsbauprogramm von Asocolflores zu einem eigenen kleinen Häuschen gekommen ist. In Anwesenheit vom Chef wird sich natürlich nur lobend geäußert, zumal wenn man Angst um den Job hat. Das ist nichts Ungewöhnliches, meint Omaira Paéz von der Nichtregierungsorganisation Cactus. »Der Arbeitsdruck hat in den letzten Jahren merklich zugenommen und kaum ein Unternehmen zahlt mehr als den Mindestlohn.«

Tahami Flores ist da eine Ausnahme. Inhaber Cock-Correa ist stolz auf das Flor-Verde-Siegel des Unternehmensverbandes, das die Verpackung ziert. Es steht für die Einhaltung sozialer und ökologischer Kriterien beim Anbau. »Mit weniger Schädlingsbekämpfungsmitteln, weniger Wasser und mehr Sorgfalt arbeiten wir«, bestätigt Margarita Aguirre. Doch eine Arbeitervertretung gibt es nicht. »Hier lösen wir die Probleme gemeinsam mit den Angestellten«, meint der Inhaber und verweist auf schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit. Einmal im Monat gebe es Treffen, so der umtriebige Exporteur, der sich mehr und mehr auf den EU-Markt verlegt. Dort seien die Preise stabiler und der kolumbianische Peso ist nicht so stark im Vergleich zum Euro.

Bei Tahami will man demnächst auf Tröpfchenberieselung umstellen und so Arbeitskräfte einsparen. »In Holland ist das längst Usus und das ist unser direkter Konkurrent in Europa«, erklärt Cock-Correa. Seinen Arbeitern hat er den Entschluss noch nicht mitgeteilt. Doch Widerstand hat er wohl nicht zu befürchten – schließlich sind die Arbeiter nicht organisiert.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Mai 2011


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