Kolumbien: Lösung des Drogenproblems der USA durch Krieg?
Der Plan Colombia ist keine Lösung - Bilanz des Jahres 2000
"Amerikas Krieg und Kolumbiens Friede", titelte die Neue Zürcher Zeitung am 2. September und traf damit den Nagel - fast - auf den Kopf. Die US-Administration eröffnete (offiziell am 1. Oktober, dem Beginn des Haushaltsjahres) die umfassendste Drogenbekämpfungskampagne, die je auf dem lateinamerikanischen Subkontinent stattgefunden hat. Die USA stellen 1,3 Milliarden Dollar zur Verfügung für einen Schlachtplan, der auf die Verknappung der Drogenproduktion und die Unterbrechung der Handelswege zu den Kokain- und Heroindealern in aller Welt, vornehmlich aber in Nordamerika, abzielt. Der Plan heißt "Plan Colombia" und wird von der kolumbianischen Regierung trotz Kritik der Nachbarstaaten und der EU umgesetzt. Ein Teil des Geldes (230 Mio.) ist für Entwicklungsprojekte, die Stärkung des Justizsystems und die Hilfe für Binnenflüchtlinge vorgesehen. Der große Rest der 1,3 Milliarden wird militärischen Zwecken dienen. Kurz gesagt geht es darum: Kolumbien produziert rund 80 Prozent des weltweit konsumierten Kokains und versorgt etwa drei Viertel des Heroinmarktes in den USA. Der Plan Colombia sieht nun vor, dass die USA ihre Luftwaffenstützpunkte in Manta (Ecuador) und auf den Karibikinseln Aruba und Curaçao ausbauen. Von dort werden künftig amerikanische Aufklärungsmaschinen starten und landen, um Flugzeuge der Drogenmafia zu entdecken und terrestrische Bewegungen auszukundschaften. Die kolumbianischen Streitkräfte erhalten ein Kontingent von 60 US-Kampfhelikoptern zur Bekämpfung der Narkoguerilla. Das 950 Mann starke Antidrogenbataillon wird um weitere Einheiten, darunter einer "Schnellen Eingreiftruppe" aufgestockt. Dazu werden Hunderte von US-amerikanischen Militär- und Geheimdienstberatern vor Ort zum Einsatz kommen, ohne sich allerdings direkt an den Kampf-handlungen zu beteiligen.
Die Folgen sind jetzt schon absehbar. Der Krieg gegen die kolumbianische Guerilla, insbesondere die FARC (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) und die ELN (Ejército de Liberación Nacional), wird eskalieren. Beide Organisationen finanzieren ihren Kampf zum größten Teil aus Schutzgeldern und dem Drogengeschäft. Dies trifft auch für die ultrarechten Paramilitärs zu, auf deren Konto die grausamsten Massaker an der Zivilbevölkerung gehen. Sie erfreuen sich aber nachweislich bester Beziehungen zu Militär- und Regierungskreisen und scheinen mit ihren berüchtigten Todesschwadronen vielfach die mörderische Drecksarbeit zu übernehmen, zu der sich das offizielle Militär zu schade ist. Der Krieg wird sich aber auch über die Grenzen Kolumbiens hinaus ausweiten. Die Nachbarländer Ecuador, Peru, Venezuela, Panama und Brasilien befürchten, dass insbesondere in ihren Grenzregionen Unruhen entstehen. Aufgeriebene Guerilleros könnten hier Zuflucht suchen bzw. von den US-Helikoptern bis hierher verfolgt werden. Auch die Bauern, die von ihren Kokafeldern vertrieben werden oder zwischen die Kampffronten geraten, könnten sich in vermeintlich sicherere Gebiete jenseits der kolumbianischen Grenzen absetzen. Ecuador grenzt z.B. an eine der Koka-Hochburgen Kolumbiens, den Verwaltungsbezirk Putumayo. Im September und Oktober 2000 sind von hier aus bereits mehr als 1.000 Bewohner nach Ecuador geflüchtet. Die massiven Sprühaktionen (mit dem Herbizid Glyphosat) auf die Kokapflanzungen aus der Luft werden ein Übriges tun, um den Konflikt auszuweiten. Insbesondere Brasilien macht sich Sorgen um die ökologischen Wirkungen dieses Gifts, das aus dem kolumbianischen Regenwald über die vielen Amazonas-Zuflüsse auch nach Brasilien gespült wird. Die ökologischen Schäden dürften noch viel größere Ausmaße annehmen, wenn die USA und Kolumbien den Pilz Fusarium oxysporum einsetzen sollten, um damit großflächige künstliche Epidemien zu erzeugen, die ihrerseits die Kokapflanzungen vollständig vernichten könnten. Hinzu kommt, dass mit dem Einsatz dieser chemischen Keule nicht nur der Koka-Anbau, sondern die gesamte Flora nachhaltig geschädigt wird.
Mit dem militärischen Feldzug gegen den Kokaanbau verfehlen die USA ihr Ziel, den Drogenmissbrauch im eigenen Land zu bekämpfen, gründlich. Beispiele zeigen, dass es allenfalls zu einer Problemverschiebung kommt. Seit der Vernichtung der Plantagen in Peru und Bolivien ist die Koka-Anbaufläche sprunghaft angestiegen - der "Verlust" wurde mehr als wettgemacht durch den Zugewinn an neuen Plantagen in anderen Gebieten, diesmal eben in Kolumbien. Dies wird solange weitergehen, bis den Millionen von verarmten Bauern eine echte wirtschaftliche Alternative angeboten wird. Dies ist aber nicht in Sicht. Stattdessen zeichnet sich durch die Verschärfung und die Internationalisierung des Krieges eine Gefahr ab, die der venezolanische Präsident Hugo Chavez auf die lapidare Formel brachte: "Der Plan Colombia ist der erste Schritt zu einer Vietnamisierung." So gesehen, müsste die eingangs zitierte Schlagzeile richtiger heißen: "Amerikas Krieg und Kolumbiens Krieg und Lateinamerikas Krieg".
Aus: Friedens-Memorandum 2001, hrsg. vom Bundesausschuss Friedensratschlag, Kassel 2001, S. 22-24
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