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Außenpolitischer Kurswechsel in Bischkek?

Kirgistan will von den USA viel Geld sehen - Andernfalls droht das Aus für die US-Luftwaffenbasis - Doch der Regierung droht Ungemach von der Opposition

Usbekistan hat es vorgemacht und die US-Truppen aus dem Land hinauskomplimentiert (siehe: US-Truppen räumen Stützpunkt in Usbekistan). Nun möchte die Regierung in Kirgistan (Kirgisien) bei den Verhandlungen um einen Verbleib des US-Militärs einen möglichst hohen Preis aushandeln, so hoch, dass dies wohl eher auch einem Rausschmiss ähnelt. Zentralasien läst sich offenbar doch nicht so leicht für die US-Kriegführung gewinnen.
Informationen darüber von der russischen Agentur Nowosti und aus der Tagespresse.
Ein weiterer Hintergrundbericht von Nowosti informiert über die zunehmende Ernüchterung im Land nach der "Tulpenrevolution" und über eine Bewegung, die sich nicht weniger als den Sturz des Premierministers Felix Kulow vorgenommen hat.



Amerikaner werden tief in die Tasche greifen müssen

Die Behörden Kirgisiens bereiten ein neues Abkommen über die Nutzung des kirgisischen Flughafens Manas durch amerikanische Militärs vor. Das teilte der Präsident der Republik, Kurmanbek Bakijew, am Mittwoch auf einer Pressekonferenz mit. "Zurzeit wird der Entwurf eines neuen Abkommens vorbereitet, das von den USA große Ausgaben fordern wird", sagte er. "Die USA werden für jedes Meter des genutzten Territoriums zu Weltmarktpreisen zahlen müssen", fügte Bakijew hinzu.
RIA-Nowosti, 2. November 2005


Kirgisstan verlangt mehr Geld von USA

Zukunft der Luftwaffenbasis ungewiss

Von Irina Wolkowa, Moskau*

Die erste Verhandlungsrunde über die Zukunft der USA-Luftwaffenbasis in Kirgisstan war praktisch ein höflich formulierter Rauswurf.

Harte Forderungen präsentierte Außenminister Alikbek Jekschenkulow dem Planungschef des USA-Verteidigungsministeriums Robert Mowler bei der ersten Verhandlungsrunde über die Zukunft der USA-Luftwaffenbasis in Kirgisstan: höhere Pachtzinsen und Gebühren für Flugüberwachung, Kompensationen für Umweltschäden, Steuern sowie den Abschluss diverser Versicherungen.

Die im Herbst 2001 zu Beginn der »Antiterror-Operation« in Afghanistan abgeschlossenen Verträge seien ausgelaufen, für neue, so der Minister, müssten international übliche Standards angewandt werden. Auch gelte es, die Meinung der Schanghai-Organisation für Zusammenarbeit und der Organisation für kollektive Sicherheit zu berücksichtigen. Beide hatten sich auf Drängen Russlands dafür ausgesprochen, Washington konkrete Fristen für den Abzug aus Zentralasien zu setzen.

Der Kurswechsel in Bischkek kündigte sich bereits durch die Entlassung von Außenministerin Rosa Otunbajewa am 4. Oktober an. Angeblich wurde sie vom Parlament aus Rache nicht bestätigt: Weil der Shogorku Kenesh – der Oberste Rat – aus gefälschten Wahlen hervorgegangen sei, hatte Otunbajewa dessen Auflösung gefordert. Der eigentliche Grund dürfte ein anderer sein: Otunbajewa galt als Parteigängerin Washingtons. Das störte die Pläne Russlands, das auf dem besten Wege ist, verlorenen Einfluss auf Kirgisstan wieder zu erlangen. Nicht zufällig war Moskau Ziel der ersten Auslandsreise des neuen Präsidenten Kurmanbek Bakijew.

Zwar sei, so Otunbajewas Nachfolger Jekschenkulow, über konkrete Termine für den Abzug der USAmerikaner nicht gesprochen worden. Die Forderung nach Neuverhandlung der Verträge ist jedoch eine verklausulierte Aufforderung, das Land zu verlassen. Für die USA, die den Umsturz in Kirgisstan durch einschlägige Organisationen und Stiftungen aktiv unterstützten und sich davon eine Demokratisierung und die Etablierung proamerikanischer Regierungen in ganz Zentralasien versprachen, ist das eine herbe Enttäuschung. Zumal das Pentagon bis Jahresende die Basis Chanabad in Usbekistan räumen müssen.

* Aus: Neues Deutschland, 10. November 2005


Kirgisiens Tulpen welken

Demonstranten nennen Premierminister einen Mörder und verlangen seinen Rücktritt

Von Henryk Alff

Die revolutionären Blütenträume am Ostrand Europas scheinen nach und nach zu verwelken. In Georgien sinkt die Zustimmung für den Kurs des Präsidenten Michail Saakaschwili beträchtlich, in der Ukraine wurde bereits das Kabinett der Reform-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko entlassen. Und nun werden auch aus Kirgisien Unruhen gemeldet.

Nur wenige Monate nach der so genannten „Tulpenrevolution“, die zur Absetzung der Regierung führte, erschüttert eine neue politische Krise das arme Gebirgsland. Demonstranten werfen dem neu gewählten Premierminister Felix Kulow Verbindungen zur organisierten Kriminalität sowie Mitschuld an der Ermordung eines Abgeordneten vor und verlangen seinen Rücktritt.

Auf dem zentralen Platz der Hauptstadt haben sich mehrere Hundert Demonstranten versammelt und fordern lautstark den sofortigen Rücktritt Kulows. Dieser wird von den Protestierenden als mitschuldig an der Ermordung des Parlamentsmitglieds Tynytschbek Akmatbajew betrachtet. Akmatbajew, gleichzeitig Vorsitzender des Parlamentskomitees für Justiz und Verteidigung, war beim Schlichten einer Gefangenenrevolte unter mysteriösen Umständen erschossen worden.

„Über meine Verwicklung in die Ermordung wurden die absurdesten Vorwürfe geäußert“, verteidigte sich Kulow in einer eilig einberufenen Pressekonferenz. In einer solchen Situation sei das Wichtigste, den Leuten auf dem Platz klar zu machen, dass ihr Handeln falsch ist. Seinen politischen Gegnern warf er vor, nach Motiven für eine Destabilisierung des Landes zu suchen. „Jemand will das Boot zum Sinken bringen, um zu zeigen, dass der Staat keine Autorität besitzt. Doch diese Menschen irren sich gewaltig.“

Der derzeitigen politischen Krise waren Unruhen in zwei Strafvollzugsanstalten vorangegangen. In einem Hochsicherheitsgefängnis nahe der Hauptstadt Bischkek hatten die vielfach an Tuberkulose erkrankten Insassen gewaltsam gegen die miserablen Haftbedingungen, schlechte Verpflegung und unzureichende medizinische Versorgung protestiert. Als im Straflager Moldawanowka ebenfalls ein Aufstand ausbrach, reiste Akmatbajew zu Gesprächen mit den Häftlingen und der Inspektion der Haftbedingungen an. Einer seiner Leibwächter zog während der Verhandlungen eine Pistole, in der Folge kam es zum Schusswechsel.

Eine andere Version der Vorgänge im Gefängnis hat Rysbek Akmatbajew, der Bruder des ermordeten Parlamentsmitglieds, parat. „Dieses Verbrechen wurde gründlich vorbereitet. Die Leute, die meinen Bruder erschossen, erwarteten ihn schon“, erklärte Akmatbajew, der sich unter den Demonstranten in Bischkek befindet. Akmatbajew verweist auf angebliche Verbindungen Kulows zur Unterwelt bis ins Straflager Moldawanowka: „Es handelt sich um eine hundertprozentige, einwandfreie Information: Hinter dem Mord steht Kulow.“ Alles Weitere werde vor Gericht verhandelt, so Akmatbajew, ohne konkrete Beweise für seine Behauptungen zu nennen.

Mit diesen Anschuldigungen flammen nun die Diskussionen um die Verstrickung von Politik und kriminellen Strukturen in Kirgisien erneut auf. Experten sprechen von unklaren Grenzen zwischen politischem Einfluss und illegalen Machenschaften. Bereits in die Vorgänge während der Märzrevolution sei die Unterwelt in großem Ausmaß involviert gewesen, berichtet Tolekan Ismailowa von der Menschenrechtsgruppe „Bürger gegen Korruption“. Parallel zu den politischen Umwälzungen habe nun auch in der kriminellen Szene eine Neuaufteilung der Einflusssphären begonnen.

Kulow selbst hat inzwischen sein Schicksal in die Hände des Parlaments und des Präsidenten gelegt. Sollten beide Instanzen seinen Rücktritt für begründet halten, so werde er keinen weiteren Einwand dagegen haben, deutete er seinen Rückzug an. Präsident Kurmanbek Bakijew stellte sich hinter den Premier und rief zu Besonnenheit auf. Die Regierung werde keine Verletzung der konstitutionellen Ordnung zulassen, so Bakijew.

Derweil bereiten sich die Protestierenden auf eine längere Belagerung der Hauptstadt vor. Auf dem zentralen Alatoo-Platz wurden Jurte und Zelte aufgestellt. Freiwillige kochen in großen Kesseln warme Mahlzeiten. Akmatbajew bleibt standhaft: „Unser Ziel ist der Rücktritt Kulows. Wir bleiben so lange, bis wir das erreicht haben.“ 06-11-2005

Aus: "Moskauer Deutsche Zeitung", 6. November 2005 (Internet-Ausgabe)


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