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Warnschüsse auf Demonstranten

Kirgistan: Erneut Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Regierungsgegnern

Vier Monate nach dem Umsturz in Kirgistan bleibt die Lage in dem zentralasiatischen Land instabil. Insgesamt 3500 Anhänger des am Donnerstag kurzzeitig verhafteten Regierungsgegners Urmat Bariktobasow versammelten sich auf zwei Kundgebungen: eine in der Hauptstadt Bischkek, die andere im 15 Kilometer entfernten Nowo Pokrowka. Dort setzte die Polizei Tränengas und Blendgranaten gegen etwa 2000 Menschen ein. Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen gaben Warnschüsse ab. Zuvor waren die Demonstranten, die zu einem größeren Teil in Bussen angereist waren, daran gehindert worden, in die Hauptstadt zu gelangen.

Derweil forderten etwa 1500 Anhänger von Bariktobasow in Bischkek selbst den Rücktritt von Präsidentin Rosa Otunbajewa und ihrer »korrupten Regierung«. Ein Redner bei der Kundgebung verlangte, die Staatsführung an Bariktobasow zu übergeben, da dieser der »bessere Präsident« sei.

Der Unternehmer und Politiker Bariktobasow war zuvor in Zusammenhang mit einem Putschversuch in der früheren Sowjetrepublik im Jahr 2005 festgenommen worden. Bariktobasow hatte im Juni vor fünf Jahren zu einer Demonstration aufgerufen, in deren Folge es zu Unruhen gekommen war. Er wollte damals seine Teilnahme an der Präsidentenwahl erzwingen und mußte schließlich das Land verlassen. Der vor einigen Tagen bei seiner Rückkehr nach Kirgistan Verhaftete wurde am Donnerstag nach Verhandlungen mit der Regierung wieder freigelassen.

Innenminister Kubatbek Baibolow warf Bariktobasows Anhängern vor, »eine gewalttätige und bewaffnete Machtergreifung« vorzubereiten. Es seien bereits Waffen verteilt worden. Alle, die daran beteiligt seien, würden festgenommen. »Wir werden harte Maßnahmen gegen diejenigen ergreifen, die in den Aufruhr verstrickt sind.«

Kirgistan wird seit Monaten von Gewalt und Demonstrationen erschüttert. Präsident Kurmanbek Bakijew war im April gestürzt worden, dabei kamen 87 Menschen ums Leben. Im Juni starben bei ethnischen Unruhen zwischen Kirgisen und der usbekischen Minderheit Schätzungen zufolge bis zu 2000 Menschen. Die heutige Präsidentin Otunbajewa hatte nach dem Sturz Bakijews eine Übergangsregierung gebildet. Eine erneute Bewerbung um das Präsidentenamt im nächsten Jahr ist ihr allerdings verwehrt. Zuvor sind im Oktober noch Parlamentswahlen geplant.
(AFP/apn/jW)

* Aus: junge Welt, 6. August 2010


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