Harte Hand - gut gefüllt
Kirgistan: Präsident Askar Akajew ist ein zweifelhafter Garant für Stabilität in Zentralasien
Von Martin Schwarz und Heinz Erdmann
Im Folgenden dokumentieren wir - gekürzt - einen Beitrag aus der Wochenzeitung "Freitag".
Gerade saß Noomagan Arkabajew an seinem Schreibtisch im kleinen Büro
der Helsinki Föderation in der kirgisischen Provinzstadt Osh. Es war der
27. Juni, und Arkabajew ahnte schon seit Tagen, dass die kirgisischen
Sicherheitskräfte ihm früher oder später einen Besuch abstatten würden. ... Rund
ein Dutzend schwer bewaffnete Beamte des kirgisischen Geheimdienstes
verschafften sich Zutritt zu den Räumlichkeiten des Menschenrechtsbüros,
führten Arkabajew ab und beschlagnahmten Unterlagen und das
vorhandene IT-Equipment. "Arkabajew hatte sich in große Gefahr begeben,
weil er wochenlang recherchierte, wie sich Lokalpolitiker von Osh bei
diversen Privatisierungsprojekten Geld abzweigten", erzählt Zamira
Sydykowa, Chefredakteurin der oppositionellen Wochenzeitung Res
publika. ... Im Gefängnis von
Osh wartet er auf seinen Prozess - und verweigert seitdem die
Nahrungsaufnahme. ...
Menschenrechtsaktivisten erklären sich die Ruhe des Staatsoberhauptes
vor allem mit dem guten Ruf, den der Autokrat noch immer im Westen
besitzt: "Kirgistan gilt im Westen noch immer als ›Insel der Demokratie‹ in
der unruhigen zentralasiatischen Region und das wird goutiert - auch wenn
es schon längst nicht mehr stimmt", beklagt sich Brigitte Dufour,
stellvertretende Direktorin der Helsinki-Föderation. Tatsächlich gebärdet
sich Akajew immer autokratischer und monopolisierte die gesamte Macht
für sich und seine Familie: "Der Präsident macht uns als Opposition völlig
mundtot. In letzter Zeit wurden neun oppositionelle Parteien mit
Versammlungsverboten belegt. Wenn wir uns treffen, dann riskieren wir
hohe Geldstrafen", sagt Gijaz Tokombajev, Chef der Republikanischen
Partei Kirgistans.
Besonders deutlich wurde der Machtinstinkt Akajews bei den letzten
Präsidentschaftswahlen im Oktober 2000: Da mussten Kandidaten zuerst
einen behördlichen Spießrutenlauf absolvieren, bevor sie zur Wahl
zugelassen wurden: Erster Teil der Hürde war etwa ein Sprachtest durch
kirgisische Behörden - bei der einige glatt durchfielen. Selbstredend, dass
Akajew die Wahlen gewann. Auch bei den Veranstaltungen seiner
politischen Gegner verhielten sich die Sicherheitskräfte nicht gerade
zimperlich und sprengten Versammlungen mit Schlagstöcken.
Doch die Geduld der westlichen Gemeinschaft scheint strapazierfähig zu
sein: "Insgesamt haben EU, OSZE, die USA und Vereinte Nationen seit
Beginn der 90er Jahre rund zwei Milliarden US-Dollar an Hilfsgeldern für
Kirgistan bereitgestellt", beschreibt Chefredakteurin Zamira Sydykova ein
großzügige Sponsoring, das sie allerdings nicht unbedingt froh macht: "Ein
Gutteil der Programme wurde explizit für die Demokratisierung ins Leben
gerufen - aber die gibt es bei uns nicht. Dafür werden der Präsident und
seine Günstlinge immer reicher", so Sydykova. Laut einer aktuellen
Umfrage des UNO-Demokratisierungsprogramms, UNDP, halten 25
Prozent der Kirgisen ihr Land für das korrupteste der Erde. ...
Von so viel Barem kann die Journalistin, die sich derzeit auf unbestimmte
Zeit im sicheren Wien aufhält, nur träumen: Ihre Zeitung, eine der wenigen
Medien, die noch nicht gleichgeschaltet wurden, hat mit einigen
Strafverfahren der Behörden zu kämpfen. "Sie haben uns zu einer
Geldstrafe von umgerechnet 10.000 US-Dollar verurteilt, weil wir über
mehrere Korruptionsfälle in der Präsidentenfamilie berichtet hatten. Wenn
wir das zahlen müssen, können wir die Zeitung einstellen". Zum Vergleich:
Die monatlichen Pensionen in Kirgistan bewegen sich zwischen zwei und
zehn Dollar. Dabei bemüht sich Akajew, als Kämpfer für die Medienfreiheit
in Zentralasien zu erscheinen: "Wir brauchen die Freiheit der Medien, um
die Korruption bekämpfen zu können". Er hat leicht reden: Erst zu Beginn
dieses Jahres brachte seine Familie zwei private TV-Stationen unter ihre
Kontrolle und als Akajew in der Vorwoche zu einer Fragestunde im
staatlichen Fernsehen lud, waren Journalisten privater Medien nicht
zugelassen. Beantwortet wurden ausschließlich Telefonfragen.
Doch der Westen sieht bei alldem geflissentlich weg, empfiehlt sich doch
der Präsident als Garant für die Stabilität der Region: "Er hat in den
vergangenen Jahren erstens einen erbitterten Kampf gegen islamische
Fundamentalisten geführt und zweitens in seiner Außenpolitik für Ruhe in
der Region gesorgt", analysiert Brigitte Dufour von der Helsinki-Föderation.
In der Tat stellen die islamischen Fundamentalisten im Fergana-Tal
zwischen Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan eine echte Bedrohung
für die geopolitischen Interessen des Westens dar. Wenn es um den
Anschein von Verlässlichkeit geht, lässt Akajew auch schon gerne mal zu
Waffen greifen: Mit schöner Regelmäßigkeit bombardiert seine Armee
vermutete Stützpunkte der Islamisten im Fergana-Tal. Der
Bundesnachrichtendienst warnt schon jetzt vor einer neuerlichen Offensive
der Fundamentalisten im Spätsommer.
Für eine Verbesserung des Lebensstandards reicht im Labyrinth zwischen
Korruption und Islamisten-Jagd das Geld nicht mehr: "In den Bergen lebt
eine große Bevölkerungsgruppe vollkommen autark. Sie verfügt nicht über
die geringsten Geldmittel. Korruption und Armut haben in Kirgistan ein
unerträgliches Ausmaß angenommen", erzählt die Exil-Kirgisin Alimat L. ...
Aus: Freitag 30, 20. Juli 2001
Zurück zur Kirgistan-Seite
Zurück zur Seite "Regionen"
Zurück zur Homepage