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Hirtengemeinschaften in Kenia satteln um

Statt Viehzucht soll mit einer angepassten Ackerwirtschaft dem Klimawandel und Konflikten begegnet werden

Von Noor Ali, Isiola *

Kenias unterentwickelter und halbtrockener Norden leidet unter lang anhaltenden gewalttätigen Konflikten rund um knappe Ressourcen. Ein neues Entwicklungsprogramm sorgt für Besserung.

Vor mehr als einem Jahrzehnt ist Dima Wario aus Rupa, einem Dorf des Bezirks Merti im Norden Kenias, nur knapp dem Tod entkommen. Allerdings musste er hilflos mit ansehen, wie Freunde und Nachbarn von anderen Hirtengemeinschaften im Kampf um Wasser und Weideland getötet wurden. »Ich habe schon viele derartige Angriffe überlebt und dabei fast mein gesamtes Vieh verloren. Die wenigen Tiere, die übrig geblieben waren, verendeten während der Dürre vier Jahre später.»

Merti liegt im Kreis Isiolo in Kenias Ostprovinz, die sich bis zur nördlichen Grenze zu Äthiopien erstreckt. Kenias Norden leidet unter lang anhaltenden gewalttätigen Konflikten, die sich um die kostbaren natürlichen Ressourcen drehen, und unter Dürren und Überschwemmungen. Die Region ist die ärmste des ostafrikanischen Landes. Dort leben 74 Prozent der Bevölkerung in Armut.

»Zuerst hielten wir das El-Niño-Phänomen, die Sturzfluten, das Rift Valley-Fieber und die schweren Dürren (zwischen den 1980er Jahren und 2009) für einen Fluch, den unsere Leute mit rituellen Handlungen abzuwenden versuchten. Doch es wurde immer schlimmer«, berichtet Wario. Die bereitgestellte Nothilfe habe nicht wirklich geholfen.

Obwohl die Hirtenvölker traditionell in Trockengebieten leben, gelang es den armen und marginalisierten Familien immer weniger, mit den Auswirkungen des Klimawandels in Verbindung mit anderen ökologischen, wirtschaftlichen und politischen Faktoren fertigzuwerden.

Doch für Wario und die Seinen hat sich die Lage inzwischen zum Besseren gewendet. Er hat die Lebensweise seiner Vorfahren aufgegeben und gehört der neuen Generation erfolgreicher Ackerbauern von Merti an. Die nächste größere Stadt ist die rund 300 Kilometer nördlich gelegene Stadt Isiolo.

Wie seine Frau Amina berichtet, hatte das Integrierte Entwicklungsprogramm von Merti (MIDP) beim Umstieg geholfen. MIDP ist eine regionale Nichtregierungsorganisation, die Hirten und Viehzüchter dabei unterstützt, sich den klimatischen Bedingungen in der Region anzupassen und eine gewisse Widerstandsfähigkeit zu entwickeln.

»Die Feldfrüchte, die wir pflanzen, reichen für die ganze Familie, für Verwandte, Händler und Anwohner. Wir versorgen uns und die Hirten mit Wassermelonen, Papayas, Zwiebeln, Tomaten, Mais und Tabak«, sagt sie. Das Wasser wird aus dem nahegelegenen Fluss Ewaso Ng'iro gepumpt und über kleine Kanäle zu den Feldern geleitet.

Vor fünf Jahren hatte MIDP mit der Schulung der ersten 200 Familien begonnen. Inzwischen haben mehr als 2000 Familien das Programm durchlaufen. Dem MIDP-Mitarbeiter Abdullahi Jillo Shade zufolge wurde das Projekt seiner Organisation in der Stadt Merti sowie in den benachbarten Siedlungen Bisan Bilku, Mrara, Bulesa und Korbesa gut angenommen. »Die Menschen sind stolz, dass sie Bauern und Händler sind. Inzwischen sind mehr Lieferwagen mit Lebensmitteln zum Markt nach Isiolo unterwegs, als Transporter mit Lebensmittelhilfen.«

Nach Angaben von Yussuf Godana von der Nichtregierungsorganisation »Plattform zur Stärkung der Nutzer des Waso-Flusses« hatten die Einheimischen schwer unter den wiederkehrenden Dürren zu tragen gehabt. Doch durch die Klimaanpassungsseminare sei den Menschen klar geworden, dass Wetteranomalien und Klimawandel kein Fluch, sondern die Folge einer globalen Krise seien. Durch die Diversifizierung ihres Lebensunterhalts seien auch die Konflikte um Wasser und Weideland weniger geworden. »Die Gegend ist jetzt von einem Pflanzenteppich bedeckt«, schwärmt er. »Sie ist eine Oase.«

* Aus: neues deutschland, Dienstag 22. April 2014


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