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Polizisten durchkämmten Einkaufszentrum

Kenias Behörden sprechen bei Geiseldrama von 65 Todesopfern *

Nach vier Tagen hat sich das Geiseldrama in Nairobi nach Angaben der Regierung Kenias am Dienstag dem Ende zugeneigt. Polizisten begannen, von den islamistischen Geiselnehmern am Gebäude angebrachte Sprengsätze zu entschärfen. Bereits in der Nacht erklärte das Innenministerium, das Einkaufszentrum befinde sich unter Kontrolle der Sicherheitskräfte.

Ein kenianischer Regierungssprecher sagte, Sicherheitskräfte durchkämmten das Einkaufszentrum und stießen auf keinerlei Widerstand. Doch am Morgen waren aus dem Gebäudekomplex erneut Explosionen und ein kurzer, aber intensiver Schusswechsel zu hören. Vertreter der Sicherheitskräfte erklärten, es gebe noch Gefechte mit »ein oder zwei« islamistischen Kämpfern. Die Angreifer hielten sich demnach in einem oberen Stockwerk des weitläufigen Gebäudekomplexes auf.

Später stürzte ein Teil des Dachs auf dem Einkaufszentrum infolge eines Brandes ein, wie ein Feuerwehrmann und Sicherheitsdienste mitteilten. Der Brand war offenbar bei Feuergefechten zwischen kenianischen Soldaten und den islamistischen Geiselnehmern entstanden, als die Armee den Gebäudekomplex am Montag unter ihre Kontrolle bringen wollte. Ein Mitglied der Einsatzsonderkräfte sagte, sie hätten großkalibrige Waffen eingesetzt. Möglicherweise wurde dadurch das Feuer ausgelöst.

Die Islamisten teilten im Internet-Kurzbotschaftendienst Twitter mit, dass sie noch mehrere Geiseln festhielten. Diese seien »ziemlich beunruhigt, aber noch am Leben«. Das Innere des Gebäudes sei »mit Leichen übersät«. Die Behörden gaben die Zahl der Toten mit 65 an, darunter drei an dem Militäreinsatz gegen die Islamisten beteiligte Soldaten. Verletzt wurden demnach bis zu 200 Menschen, 63 weitere galten weiterhin als vermisst. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben mehr als zehn Verdächtige fest. Diese sollten im Laufe des Tages vernommen werden.

Ein bewaffnetes Kommando hatte das Einkaufszentrum Westgate am Sonnabend gestürmt, auf Menschen geschossen und sich mit Geiseln in dem Komplex verschanzt. Die islamistische Al-Shabaab-Miliz aus Somalia bekannte sich zu dem Angriff. Sie verlangt unter anderem ein Ende des kenianischen Militäreinsatzes gegen sie in Somalia.

Die kenianische Außenministerin Amina Mohamed sagte dem USA-Sender PBS, unter den Angreifern seien auch zwei oder drei somalisch- oder arabischstämmige USA-Bürger, Männer im Alter von 18 oder 19 Jahren. Auch eine Britin soll laut Mohamed unter den Mitgliedern gewesen sein. Die Frau habe »so etwas schon viele Male getan«. Zuvor hatte der kenianische Innenminister Joseph Ole Lenku erklärt, unter den Angreifern gebe es keine Frauen. Einige seien allerdings wie Frauen gekleidet gewesen.

In den Medien wurde spekuliert, ob es sich bei der von Mohamed erwähnten Frau um die 29-jährige Samantha Lewthwaite handelt. Die Tochter eines britischen Soldaten ist als »die weiße Witwe« bekannt. Ihr Mann Germaine Lindsay riss im Juli 2005 bei einem Selbstmordanschlag in der Londoner U-Bahn 26 Menschen mit in den Tod. Dem Al-Shabaab-Kommando sollen bis zu 15 Mitglieder angehören.

In der kenianischen Küsten-Metropole Mombasa wurde unterdessen der Prozess gegen den 30-jährigen Jermaine Grant fortgesetzt. Dem Briten werden versuchte Anschläge sowie Verbindungen zum Al-Qaida-Netzwerk und zu Lewthwaite zur Last gelegt.

Der UNO-Sondergesandte für Somalia, Nicholas Kay, forderte die Staatengemeinschaft zu einem entschiedeneren Kampf gegen die Islamistengruppe auf. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen verurteilte die Geiselnahme. »Solche abscheulichen terroristischen Taten bedrohen uns alle«, erklärte der Däne in Brüssel. »Sie können niemals gerechtfertigt werden.«

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 25. September 2013

Kenia: Weitere Tote befürchtet

Nairobi. Nach der Geiselnahme in der kenianischen Hauptstadt Nairobi suchen Experten nach weiteren Verschütteten. Kriminaltechniker durchkämmten die Trümmer des »Westgate«-Einkaufszentrums, sagte ein Mitarbeiter des Nationalen Krisenzentrums am Mittwoch. Bei dem Angriff der somalischen Islamistenorganisation Al-Scha­bab kamen mindestens 72 Menschen ums Leben. Die genaue Zahl der Opfer blieb unklar. »Die Leichen liegen immer noch in den Trümmern«, hieß es im Krisenzentrum. Al-Schabab, die mit der Attacke das Engagement der kenianischen Armee in Somalia rächen wollte, sprach in einer Twitter-Botschaft von 137 toten Geiseln. Sie machte die kenianischen Truppen für den Tod der Menschen verantwortlich, weil bei der Stürmung Giftgas eingesetzt worden sein soll. In dem Gebäude stürzten bei mehreren Explosionen drei Stockwerke ein.

(junge Welt, 26.09.2013)




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