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Kenias Lehrer streiken weiter

Gewerkschaft weist Kompromißvorschlag der Regierung zurück

Von Simon Loidl *

Bereits den dritten Tag in Folge gingen am Donnerstag (8. Sept.) Zehntausende streikende Lehrerinnen und Lehrer in mehreren Städten Kenias auf die Straße. Am Dienstag waren mehr als 20000 Angestellte der öffentlichen Schulen des ostafrikanischen Landes in den Ausstand getreten. Sie fordern die Festanstellung von 18000 Lehrern, die zeitlich befristet beschäftigt sind, sowie die Neuanstellung von 9000 zusätzlichen Pädagogen. Insgesamt fehlen Experten zufolge 80000 Lehrkräfte, um ein ausreichendes Bildungsangebot zu ermöglichen und Klassenschülerzahlen senken zu können. Über hundert Schüler in einer Klasse seien keine Seltenheit, so die Gewerkschaften.

Am Mittwoch (7. Sept.) kündigte die kenianische Regierung an, sofort 20000 zusätzliche Vertragslehrer einstellen zu wollen. Im Zeitraum von drei Jahren sollen dann weitere 60000 Lehrkräfte mit Zeitverträgen aufgenommen werden. Die Gewerkschaft Kenya National Union of Teachers (KNUT) wies diesen Vorschlag als »Beleidigung und Mangel an Verständnis für die Situation der Lehrer« umgehend zurück. David Okuta, Generalsekretär von KNUT, sagte, die Regierung würde »Salz in die Wunden der Lehrer reiben«, statt eine Lösung zu präsentieren. Für die Gewerkschaft ist das kenianische Bildungssystem nicht nur aufgrund der zu geringen Anzahl an Lehrern unter Druck, sondern vor allem auch aufgrund der schlechten Bedingungen, zu denen diese arbeiten. Mittels Zeitverträgen angestellte Pädagogen müßten teilweise mehr Leistung erbringen als ihre festangestellten Kollegen und würden dafür lediglich »Peanuts« bekommen, heißt es in einem KNUT-Bericht zur Situation der »Kontraktlehrer«. Neben der schlechteren Bezahlung erwerben befristet Angestellte auch keine Pensionsansprüche.

In Kenia wurde 2003 der kostenlose Besuch der Grundschule eingeführt, 2008 folgte die Öffnung der weiterführenden Schulen für alle. Seitens des Staates wurden allerdings nicht ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt, um den folgenden Ansturm auf die Bildungseinrichtungen bewältigen zu können. Es kam sogar zu Kürzungen und einem Rückgang der Lehrerzahlen. Während es im Jahr 2003 landesweit 260000 staatlich angestellte Pädagogen gab, sank diese Zahl seither auf 220000. Von diesen wird ein immer höherer Prozentsatz befristet eingestellt.

Der am Mittwoch von der Regierung präsentierte Vorschlag war auf höchster Ebene zwischen dem Präsidenten Kenias, Mwai Kibaki, Premierminister Raila Odinga, Finanzminister Uhuru Kenyatta und Bildungsminister Sam Ongeri ausgehandelt worden. Kenyatta bekräftigte am Mittwoch gegenüber dem kenianischen Parlament, daß die Regierung nicht genügend Geld zur Verfügung habe, um mehr als den vorgeschlagenen Plan zu realisieren. KNUT-Generalsekretär Okuta wies dies umgehend zurück und sagte, die Regierung wolle überhaupt nicht auf die Forderungen der Lehrer eingehen.

Die Regierung versucht derweil, die öffentlichen Angestellten unterschiedlicher Bereiche gegeneinander auszuspielen. Kenyatta hatte bereits am Beginn des Lehrerstreiks darauf hingewiesen, daß die Zeitverträge für Lehrer nötig gewesen seien, um die Gehälter von Armeeangehörigen bezahlen zu können. Nach der Präsentation des Regierungsvorschlags am Mittwoch sagte er, daß zur Finanzierung desselben ein Aufnahmestopp für Krankenhauspersonal erfolgen müsse.

Trotz der Bekräftigung der Regierung, daß der Kompromißvorschlag das Äußerste sei, was derzeit finanziert werden könne, gibt sich die Gewerkschaft weiterhin kämpferisch. »Wir orientieren uns an den nordafrikanischen politischen Revolutionen«, zitiert die kenianische Zeitung The Standard KNUT-Vorsitzenden Wilson Sossion, »unsere Forderungen müssen Gehör finden.«

* Aus: junge Welt, 10. September 2011


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