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Kicken für Frieden in Kenia

Fußball in Townships überwindet ethnische Konflikte

Von Kwamboka Oyaro, Nairobi *

Unter dem Motto »Kicken für den Frieden« kämpfen Jungen und Mädchen in acht verschiedenen Armenvierteln Nairobis seit dem 17. Februar, um einen Pokal – und um die Freundschaft.

Anthony Njoroge gibt den Ball an David Onyango ab. Der schießt das Leder ins Tor. Ein begeisterter Aufschrei erfüllt das Stadion in Huruma, einer Armensiedlung im Osten der Hauptstadt Nairobi. Seine Mitspieler, darunter Njoroge, umarmen ihn. Nichts besonderes, könnte man denken. Aber Onyango ist ein Luo und Njoroge ein Kikuyu, und seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl im Dezember sind die Konflikte zwischen den ethnischen Gruppen Kenias neu entflammt. Mwai Kibaki, der sich zum Sieger der Wahlen am 27. Dezember erklärte, ist ebenfalls ein Kikuyu. Sein größter Herausforderer Raila Odinga, der das Wahlergebnis anfechtet, ist ein Luo.

Die Kikuyu sind die größte der rund 40 Bevölkerungsgruppen Kenias, die Luo stehen an dritter Stelle. So richtete sich der Zorn über den Ausgang der Wahlen denn auch zum großen Teil gegen das Volk der Kikuyu, die das wirtschaftliche und politische Leben in dem ostafrikanischen Land beherrschen. Besonders in den Slums rund um die Hauptstadt gab es Ausbrüche ethnisch bedingter Gewalt. Manche Viertel wurden für Angehörige bestimmter Bevölkerungsgruppen schlichtweg zu gefährlich, und so zogen sie lieber in eine andere Gegend um, als sich weiterhin dem Spießrutenlauf auszusetzen. »Das hat unsere normalen Beziehungen total durcheinander gebracht. Ich will nicht als Kikuyu wahrgenommen werden. Ich bin hier in Huruma groß geworden, und meine Freunde stammen von hier. Früher haben wir uns nie darum gekümmert, welchem Stamm jemand angehörte«, erzählt der Teenager Njoroge.

Das Fußballspiel, das Njoroge und Onyango zusammenbrachte, ist Teil einer Initiative mehrerer Nichtregierungsorganisationen (NRO), die die Frage der Stammeszugehörigkeit wieder an den Rand des Spielfelds drängen möchten.

Mehr als 100 multi-ethnische Teams haben sich für das Turnier »Kicken für den Frieden« angemeldet. »Beim Fußball musst du ein Team sein. Wenn du ein Team bist, dann spielst du den Ball nicht deinem besten Freund oder deinem Stammesbruder zu, sondern deinem Teampartner. Wir wollen erreichen, dass die Jugendlichen diesen Grundsatz nicht nur im Fußball, sondern auch in ihrem täglichen Leben beherzigen«, sagt John Muiruri von der »African Medical & Research Foundation« (AMREF). Die afrikanische NRO mit Hauptsitz in Nairobi ist einer der Sponsoren des Turniers. Sketche über Aussöhnung und Gespräche darüber, wie man den Frieden in Kenia wieder herstellen kann, bilden den Rahmen der Veranstaltung.

Einer der Organisatoren ist Calvin Mbugua, Mitbegründer eines Jugendsportverbandes. »Ich bin ein Kikuyu, aber eigentlich bin ich mehr im Hause unseres Nachbarn, einem Luo, aufgewachsen. Ich habe in seinem Haus gegessen, mit seinen Kindern gespielt, die meine Freunde waren. Denn bei uns zu Hause waren Nahrungsmittel knapp. Unser Nachbar behandelte mich wie seine eigenen Kinder. Unsere Stammeszugehörigkeit spielte dabei nie eine Rolle«, erinnert sich Calvin Mbugua. »Es tut weh zu sehen, wie der Hass unsere Gemeinschaft zerstört. Das muss ein Ende haben.«

Obwohl die Unruhen in den Slums nach den Vermittlungsversuchen des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan abgenommen haben, sind Zwist und Misstrauen unter den Bewohnern doch nach wie vor spürbar. »Die Leute wissen genau, wer sie verprügelt oder ihr Haus angezündet hat. Es fällt ihnen schwer, zu vergeben. Wir hoffen, dass wir durch das Fußballturnier dazu beitragen können, dass sich die Menschen in den ärmsten Siedlungen Kenias wieder verstehen«, erklärt Mbugua.

Während Annan wieder zu vermitteln versucht, kümmern die Spieler auf dem Fußballfeld die Beratungen der politischen Führung derweil wenig. Mary Wanjiru hat gerade zwei Tore geschossen. »Die Politiker kämpfen um die Macht. Aber für uns hier ist es gleichgültig, wer an der Macht ist. Unsere Ängste, Wünsche und Mühen bleiben doch dieselben.«
IPS

* Aus: Neues Deutschland, 19. Februar 2008

Zweifelhafte Hilfe der EU für Kenia

Von David Cronin, Brüssel

Abgeordnete des Europa-Parlaments haben die EU-Mitgliedsländer aufgefordert, die für Kenia bestimmten Hilfsgelder einzufrieren, um das ostafrikanische Land auf demokratischen Kurs zu bringen. Es sei höchste Zeit, dass der Staatenbund der Regierung in Nairobi die rote Karte zeige.

Seitdem die europäischen Wahlbeobachter Unregelmäßigkeiten bei dem Urnengang in Kenia Ende Dezember bestätigt haben, wächst der Druck auf das EU-Staatenbündnis, im Fall Kenia auch entwicklungspolitisch ein Zeichen zu setzen. Eine Einstellung der Direkthilfe sei angesichts der eskalierenden Gewalt dringend notwendig, meint etwa die britische Europaabgeordnete Glenys Kinnock.

In der Kritik steht vor allem der Rat der EU, der alle Regierungen der insgesamt 27-EU-Mitgliedsländer vereinigt. Sich auf die Position zurückzuziehen, frühestens im Anschluss der Vermittlungsbemühungen des ehemaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan aktiv zu werden, sei angesichts von 800 Todesopfern und 300 000 Vertreibungen zu wenig, so Kinnock. Kritik hat die EU bereits dafür geerntet, dass sie einen Tag nach den umstrittenen Wahlen der Regierung in Nairobi 41 Millionen Euro überwiesen hat. Als Entschuldigung heißt es aus Brüssel, dass die Hilfsgelder gezahlt worden seien, bevor sich der Wahlfälschungsvorwurf bestätigt habe.

In einem jüngsten gemeinsamen Statement hatten die EU-Regierungen die Notwendigkeit einer nachhaltigen und auf Konsens bedachten Lösung der politischen Krise in Kenia unterstrichen. Ein Scheitern werde sich auch auf den Umfang der Hilfsgelder auswirken. Allerdings will die EU vor konkreten Schritten den Ausgang der Vermittlungsbemühungen Annans im Machtkampf zwischen Staatspräsident Kibaki und seinem Rivalen Odinga abwarten.
IPS

(ND, 19.02.2008)




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