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Blutige Unruhen im Kaschmirtal

Lage spitzte sich wenige Tage vor Außenministertreffen Indien-Pakistan zu

Von Hilmar König *

Wenige Tage vor einem Treffen der Außenminister Indiens und Pakistans in Islamabad spitzt sich die Lage im indischen Teil Kaschmirs zu. Am Sonntag riefen die Separatisten der Hurriyat-Konferenz zu einer Art Generalstreik im Kaschmirtal auf.

»Wir befinden uns in einer entscheidenden Phase in Kaschmir. Es ist Zeit, dass wir alle zusammenarbeiten und unabhängig von unseren politischen Ansichten den Weg ebnen für ein besseres Morgen.« So begründete Omar Abdullah, Chefminister des indischen Unionsstaats Jammu und Kaschmir, am Wochenende die Notwendigkeit einer Allparteienkonferenz, die am Montag in Srinagar stattfinden sollte. Abdullah wollte ein Konzept zur Befriedung der Krisenregion beraten lassen.

Seit Wochen liefern Protestmärsche und blutige Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften Schlagzeilen. In den vergangenen drei Wochen kamen dabei 15 Menschen ums Leben. »Unser ziviler Ungehorsam und die friedlichen Märsche werden fortgesetzt, bis Indien seine Soldaten und seine paramilitärischen Einheiten aus den bewohnten Gebieten abzieht«, erklärte Mirwaiz Umar Faruk, Führer des gemäßigten Flügels der Hurriyat-Konferenz. Deren verschiedene Fraktionen kämpfen für die Autonomie des Kaschmirtals, für den Anschluss an Pakistan oder für Unabhängigkeit. Syed Ali Geelani, einer der Hurriyat-Falken, rief für den Sonntag den weithin befolgten Generalstreik aus, um den Druck auf die Regierenden in Srinagar und Delhi zu erhöhen. Damit spitzte sich die Lage weiter zu. Anfang voriger Woche hatte Chefminister Abdullah bereits die Armee zur Hilfe gerufen. Eine Ausgangssperre wurde verhängt, zwischenzeitlich aber gelockert. Abdullah deutete an, dass die Armee sich in den nächsten Tagen zurückziehen würde.

Sitaram Yechury, Mitglied des Politbüros der KPI (M), forderte am Sonnabend Indiens Premier Manmohan Singh auf, tätig zu werden. Er erinnerte daran, dass Delhi immer von einem Dialog mit den politischen Kräften in Jammu und Kaschmir spricht, ihn aber nicht beginnt, dass es »Exzesse« der Zentralen Polizeireserve (CRPF) gibt und dass die kaschmirische Jugend angesichts der dürftigen Beschäftigungsmöglichkeiten desillusioniert ist.

Auch der Erfolg des Parteientreffens unter Chefminister Abdullah bleibt zweifelhaft. Die Hurriyat-Konferenz wollte auf keinen Fall mit am Tisch sitzen. Und die Reaktion der Volksdemokratischen Partei (PDP), der wichtigsten Oppositionspartei, auf die Einladung war auch nicht ermutigend. Das Unternehmen bringe doch nichts, ließ PDP-Chefin Mehbuba Mufti kühl wissen. Der Chefminister alarmierte daraufhin den Premier, Frau Mufti zur Teilnahme zu bewegen.

Das Außenministertreffen am 15. Juli in Islamabad sollte eigentlich einen Dialog über alle zweiseitigen Probleme beschleunigen. Im indischen Außenministerium vermutet man, die Entwicklung im Kaschmirtal werde von Kräften in Pakistan verschärft, damit der »kaschmirische Zankapfel« - beide Staaten beanspruchen das Gebiet seit 1948 für sich - zum Hauptthema des Treffens wird.

* Aus: Neues Deutschland, 13. Juli 2010


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