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Weiterhin ohne Opposition

Wahlen in Kasachstan werden zur Abstimmung über präsidententreue Parteien

Von Tomasz Konicz *

Am 15. Januar werden die Bürger Kasachstans an einer vorgezogenen Neuwahl des Parlaments teilnehmen dürfen. Kasachstans Staatschef Nursultan Nasarbajew entsprach laut offizieller Darstellung mit dem am vergangenen Mittwoch publizierten Präsidialdekret den Bitten von 53 Parlamentsabgeordneten, die sich in einer diesbezüglichen Petition am 10. November an den Präsidenten wandten. Nasarbajew regiert das ölreiche zentralasiatische Land seit nahezu 20 Jahren autokratisch, ohne bislang Oppositionskräfte im Unterhaus des kasachischen Parlaments, der Mäschilis, zu dulden. Derzeit finden sich dort ausschließlich Abgeordnete der Präsidentenpartei Nur Otan (Leuchtendes Vaterland). Nasarbajew ließ sich im vergangenen April für weitere fünf Jahre im Präsidentenamt bestätigen – mit einem offiziellen Endergebnis von 95,6 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Im Unterschied zu früheren Abstimmungen sollen die Kasachen diesmal tatsächlich eine Wahl zwischen mehreren Parteien haben. Laut neuen Regelungen im kasachischen Wahlgesetz wird künftig die zweitstärkste Partei in die Mäschilis auch dann einziehen, wenn sie an der Siebenprozenthürde scheitern sollte. Während einer Regierungssitzung am vergangenen Dienstag erklärte Nasarbajew, daß die ursprünglich für August 2012 angesetzte Abstimmung vorgezogen werden sollte, um den Wahlkampf nicht während des im kommenden Jahr erwarteten Wirtschaftsabschwungs durchführen zu müssen.

Beobachter gehen davon aus, daß die Einführung eines Mehrparteienparlaments durch Nasarbajew auch als eine PR-Maßnahme im Vorfeld der von Kasachstan angestrebten OSZE-Präsidentschaft zu bewerten sei, in der das zentralasiatische Land sich einen demokratischen Anstrich geben wolle. Zudem scheint der 71jährige Nasarbajew den kommenden Wahlgang dazu nutzen zu wollen, langsam einen Nachfolger für sich aufzubauen. In den staatstreuen Medien wurde bereits eine Diskussion über die Zeit nach Nasarbajew initiiert.

Die größten Chancen auf einen Einzug ins Parlament hat neben Nur Otan die regierungsfreundliche Partei Ak Schol (Der lichte Weg), in der sich die präsidententreue Staatsoligarchie des Landes sammelt. Der Vorsitzende von Ak Schol, Azat Peruasche, gilt als Enger Vertrauter des Milliardärs Timur Askarowitsch Kulibajew, dem als Schwiegersohn von Nasarbajew beste Aussichten auf den Präsidentenposten eingeräumt werden. Kulibajew ist in seiner Funktion als Chef des wirtschaftlich dominanten Staatsfonds Samruk-Kazyna bereits Aufsichtsratsvorsitzender etwa des kasachischen Atomkonzerns Kasatomprom, des Energieunternehmens KasMunayGas oder der kasachischen Eisenbahngesellschaft. Die kommenden Wahlen könnten für den einflußreichen Schwiegersohn des Präsidenten als »Sprungbrett« in die Politik dienen, erklärte der Analyst Gemma Ferst vom US-Thinktank Eurasia Group.

Eine weitere Partei, die den Einzug ins Parlament schaffen könnte, ist die regierungstreue Demokratische Partei Adilet, die hauptsächlich die Interessen der Staatsangestellten vertritt. Deren Vorsitzender Maksut Narikbajew sprach sich schon Ende Juli für Kulibajew als künftigen Staatschef Kasachstans aus. Richtige Oppositionsparteien werden hingegen auch in der neuen Mäschilis nicht vertreten sein. Die oppositionelle Kommunistische Partei Kasachstans wurde im vergangenen Oktober für sechs Monate »suspendiert«, da sie eine Volksfront mit der Gruppierung Alga! (Vorwärts!) gebildet hat, der die kasachischen Behörden die offizielle Registrierung als Partei verweigern. Somit bleiben die Kommunisten wie auch Alga! von der kommenden Abstimmung ausgeschlossen. Die Kasachen können nur zwischen mehreren präsidententreuen Parteien »wählen«

* Aus: junge Welt, 18. November 2011


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