Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Familiengeheimnisse der Uran-Allianz: Bleibt Kasachstan Russland treu?

Kampf um kasachisches Uran entbrannt - Kazatomprom kauft sich in US-Atomkonzern Westinghouse Electric ein

Von Maxim Krans, Moskau *

Die Übernahme eines zehnprozentigen Anteils des führenden Atomunternehmens in den USA - Westinghouse Electric - durch den kasachischen Rohstoffkonzern Kazatomprom hat eine neue Phase im harten Konkurrenzkampf um kasachisches Uran eingeleitet.

Dieses in vieler Hinsicht sensationelle Geschäft zeigt, dass Astana (seit 1997 Hauptstadt Kasachstans) entgegen seinen Beteuerungen, im Schlepptau des außenpolitischen Kurses Russland folgen und dem großen Nachbarland treu bleiben zu wollen, pragmatisch an Probleme der ökonomischen Kooperation mit dem Ausland herangeht. Dabei lässt sich Kasachstan vor allem von eigenen Vorteilen leiten. Was die Partnerschaft in der Atombranche angeht, will Astana der übrigen Welt zeigen, dass das Land überhaupt nicht gewillt ist, alle Eier in einen Korb zu legen, in diesem Fall in den russischen Korb. Der Übernahmevertrag wurde mit dem japanischen Konzern Toshiba bereits unterzeichnet.

Vor kurzem schien es, dass Kasachstan bereits seinen wichtigsten strategischen Partner in diesem Bereich bestimmt hatte. Vor allem auch deshalb, da die Partnerschaft von den Präsidenten beider Länder besiegelt wurde. Gerade auf Initiative und mit Billigung von Putin und Nasarbajew wurden vor einem Jahr Abkommen über die Gründung von drei Gemeinschaftsunternehmen unterzeichnet: Zur Erschließung des Uranfeldes Budjonnowskoje in Kasachstan, zur Urananreicherung in Russland und zum Bau von Reaktoren geringer und mittlerer Leistung. Das letztere Joint Venture sollte auch eine Reaktoranlage neuer Generation für das erste kasachische Atomkraftwerk entwickeln, das im Westen des Landes gebaut werden soll.

Das im Mai dieses Jahres von den Regierungen Russlands und Kasachstans besiegelte Internationale Zentrum für Urananreicherung wird seinen Sitz im sibirischen Angarsk haben. Das Projekt soll beiden Seiten Vorteile bringen. So erhält Kasachstan Zugang zu Technologien, die es bislang nicht hatte. Dafür wird Russland Rohstoffe gewinnen dürfen, die es so dringend braucht. Bei einem Jahresbedarf von 18 000 Tonnen Uran fördert Russland im eigenen Land nur 3000 Tonnen. Die restlichen Mengen werden aus strategischen Reserven entnommen. Dazu kommt das bereits bei der Demontage ausgemusterter Gefechtsköpfe freigesetzte Spaltmaterial. In Kasachstan, das den Uran-Vorräten nach weltweit an zweiter Stelle nach Australien liegt, will Russland bis zu 180 000 Tonnen Rohstoff gewinnen.

Insgesamt gibt es sieben russisch-kasachische Gemeinschaftsunternehmen, die bereits produzieren bzw. die Produktion in Kürze aufnehmen sollen. Mit diesen Joint Ventures sollen enge Kontakte bei der Nutzung von Atomkraft geknüpft werden. Ein Betrieb, das Uran-Feld Saretschnoje erschließt, hatte bereits Ende vergangenen Jahres erstes Uran gefördert.

Die russische Atombranche hätte sich damit zufriedengeben können, dass sie sich auf dem kasachischen Atommarkt etabliert hat und mit den dort bereits aktiven Franzosen, Kanadiern, Amerikanern und Japanern konkurrieren kann. Auch die Unterzeichnung eines Abkommens (Kasachstans) mit der chinesischen Atomenergiefirma Guangdong über die Anreicherung von kasachischem Uran rief auf der russischen Seite keine Besorgnis hervor. Die Zukunft schien glücklich und wolkenlos zu sein, bis Westinghouse gekommen war.

Dieser größte amerikanische Atom-Konzern ist Hauptrivale der russischen Atombehörde Rosatom und auch der staatlichen russischen Holding Atomenergoprom, die derzeit gegründet wird. Die Absicht des staatlichen Atomunternehmens Kazatomprom, zehn Prozent der Anteile an Westinghouse von Toshiba zu übernehmen, das insgesamt 77 Prozent der Westinghouse-Papiere hält, waren in der russischen Presse einhellig als ein Risikofaktor bezeichnet worden: Die russische Atomindustrie kann kasachische Rohstoffquellen verlieren. Kazatomprom-Präsident Muchtar Dschakischew beschwichtigte die Partner: "Das Geschäft mit Westinghouse wird sich auf keine Weise auf die Beziehungen zu russischen Kollegen auswirken."

Dennoch sind Gründe für die Besorgnis allem Anschein nach doch vorhanden. Ein Experte des japanischen Forschungsinstituts "Eurasia 21" stellte fest: "Das, was die russische Tageszeitung 'Nesawissimaja Gaseta' in einem mit 'Russland wird von kasachischem Uran verdrängt' überschriebenen Beitrag abgedruckt hat, ist nicht weit von der Wahrheit entfernt." Dieses Geschäft habe übrigens zum Ziel, Russland zurückzudrängen, schrieb die Tokioter Zeitung "Nikkei".

Das in der früheren kasachischen Hauptstadt Almaty erscheinende Wirtschaftsmagazin "Kursiw" erklärte, worin eigentlich die Gefahr besteht: "Dank US-amerikanischen Technologien will Kasachstan die Lieferungen von Natururan an den Außenmarkt zum Jahr 2014 komplett einstellen. Ausgeführt werden nur Fertigprodukte mit hohem Mehrwert wie etwa Brennelemente, die nicht nach russischen, sondern nach westlichen Standards gebaut werden." Darüber hinaus wird sich Russland allem Anschein nach gezwungen sehen, die geplanten günstigen Verträge über den Bau neuer Reaktoranlagen aufzugeben.

Vielleicht ist das besser so. Denn es geht um eine strategische Branche, die unmittelbar die der Sicherheit des Landes tangiert. Ist denn der kasachische Partner zuverlässig genug? Hierbei gibt es gewisse Zweifel. Anfang dieses Jahres sorgte der Abgeordnete Sergej Schalybin für eine Sensation, als er im kasachischen Parlament seinen Antrag an die Staatsführung verlesen hatte. In dem Papier hieß es, dass das Unternehmen Kazpromenergo die wichtigsten Atomobjekte des Landes im Grunde genommen bereits den Ausländern zur Verfügung gestellt hatte. Nicht direkt, sondern über eine Kette von Tochterunternehmen. Es handelt sich unter anderem um das Bergbau- und Chemiekombinat Stepnogorsk, in dem Uran verarbeitet wird, um das große Uranfeld Mynkuduk und die Firma Uranenergo, die die kasachische Atombranche mit Strom versorgt.

Es stellte sich heraus, dass all das dem britischen Unternehmen New Power Systems gehört, das seinerseits im Besitz einer in Singapur eingetragenen Consultingfirma mit einem Grundkapital von nur 100 US-Dollar ist. Mehr noch: Der alleinige Inhaber der Consultingfirma ist ein Australier russischer Abstammung - Jewgeni Tscharyschkin. Wozu eine derart komplizierte Kette notwendig ist, liegt ziemlich klar auf der Hand.

Ex-Abgeordnete Tatjana Kwjatkowskaja, die sich dieses skandalösen Falls angenommen hat, stellt die berechtigte Frage: Werden denn Förderung, Verarbeitung und Export von Uran durch Astana kontrolliert? Auch Russland sollte sich darüber Gedanken machen.

[Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.]

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 17. August 2007;
http://de.rian.ru



Zurück zur Kasachstan-Seite

Zur Russland-Seite

Zur Seite "Erdöl, Energie, Rohstoffe"

Zurück zur Homepage