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Kanada zieht in den Kalten Krieg

Neues Säbelrasseln in der Arktis soll Ansprüche untermauern

Von John Dyer, Boston *

Mit einem Manöver versucht Kanada, seinen Anspruch auf einen Teil der Arktis zu unterstreichen. Die Übung ist auch eine Antwort auf die verstärkte militärische Präsenz Russlands in der Region.

»Nanook« ist einer Machtdemonstration der kanadischen Streitkräfte, zu Lande und zu Wasser. Die Botschaft ihres jüngsten Manövers richtet sich an den Nachbarn auf der anderen Seite des Nordpols: Russland möge seinen Anspruch auf große Teile der Arktis nicht allzu deutlich erheben. Kanada werde sich nicht einschüchtern lassen. »Wir werden jede Herausforderung an unsere territoriale Souveränität beantworten«, sagte Verteidigungsminister Peter MacKay kürzlich. »Jedes Land, dass sich dem kanadischen Luftraum und dem Territorium nähert, wird auf Kanadier treffen.« Russland macht seit Jahren seine Ansprüche deutlich. 2007 ließen Wissenschaftler und der Nationalist Artur Tschilingarow eine russische Pflanze auf dem Meeresboden unter dem Nordpol absetzen. Russische Unterseeboote trainieren nahe den kanadischen Gewässern. Luftlandetruppen sollen in wenigen Monaten Soldaten am Nordpol absetzen. Vor einer Woche berichteten kanadische Medien, dass sich zwei russische Atom-U-Boote in der Nähe der kanadischen Gewässer aufhielten. »Russland lässt seine Muskeln spielen«, so MacKay. Moskau dagegen erklärte, die beiden Unterseeboote befänden sich auf einer Routinepatrouille. »Der Nordpol gehört nicht zu den Territorialgewässern irgendeines Landes«, betonte der Sprecher der russischen Botschaft in Ottawa, Sergej Chudjakow. Daher seien dort Bewegungen russischer Schiffe und Flugzeuge vollkommen legal.

Die verbale Zuspitzung zwischen Russland und Kanada habe nicht zuletzt mit der Innenpolitik in beiden Staaten zu tun, meint Michael Byers, Professor an der Universität von British Columbia, der in Kürze ein Buch mit dem Titel »Wem gehört die Arktis?« veröffentlichen wird. Moskau sei dabei ein besonders dankbarer Gegner für die Regierung in Ottawa. »Russland ist lange Zeit unser Feind gewesen, tritt heute zumindest in seiner unmittelbaren Nachbarschaft wieder machtvoll auf. Außerdem verbinden uns keine wichtigen wirtschaftlichen Beziehungen.« Wie andere Sicherheitsexperten warnt Byers allerdings vor dieser Art Kanonenbootpolitik. »Die Frage nach der Ausdehnung der eigenen Territorialgewässer hat nichts damit zu tun, wer seine Soldaten auf dem Nordpol landen lässt«, sagt etwa Whitney Lackenbauer, Historiker an der Universität von Waterloo. Vielmehr gelte auch hier das internationale Seerecht: Der Kontinentalschelf mit seinen Ressourcen gehört den jeweils angrenzenden Staaten.

Russland und Kanada sind nicht die einzigen Staaten, die sich für den Streit um die Arktis in Position bringen. Die USA, die mit Alaska einen relativ kleinen Anteil an den Küstengewässern der Arktis haben, fordern die Internationalisierung der Seewege, die durch das Wegschmelzen des Arktiseises geöffnet werden. Kanada lehnt das ab. Denn diese Seewege führen zu einem guten Teil zwischen seinen Inseln im hohen Norden hindurch. Auch Dänemark, zu dessen Königreich Grönland gehört, erhebt Anspruch auf Teile der Arktis und ihrer Ressourcen. Kopenhagen und Ottawa sind vor zwei Jahren wegen der Hans-Insel im Nordwesten Grönlands schon aneinander geraten. Inzwischen bemühen sich beide Staaten um bessere Zusammenarbeit.

Die Arktis, lange Zeit im Windschatten der Weltpolitik, rückt als Folge des Klimawandels weiter ins Zentrum. Das Wegschmelzen des ewigen Eises macht die Ressourcen auf dem Meeresboden zugänglich und eröffnet einen kürzeren Seeweg in den Fernen Osten. Die Anrainerstaaten sind sich bisher nur einig, dass sie ihre Konflikte friedlich lösen wollen – und möglichst unter Ausschluss der restlichen Welt.

* Aus: Neues Deutschland, 24. August 2009


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