Kameruner begehren gegen Präsident Biya auf
Proteste gegen steigende Lebenshaltungskosten und geplante Verfassungsänderung
Von Anton Holberg *
Oberflächlich hat sich die Lage in Kamerun nach einer Woche blutiger Unruhen beruhigt. Doch der
Unmut über den seit 1982 amtierenden Langzeitherrscher Paul Biya wächst, zumal jener mittels
Verfassungsänderung 2011 noch einmal antreten will.
Kameruns Oppositionschef John Fru Ndi steht mit seiner Meinung nicht allein: Die Preiserhöhungen
zeigten, dass Staatspräsident Paul Biya den Kontakt zur Bevölkerung verloren habe. Auf alle Fälle
hat die Erhöhung der Preise für Benzin und Petroleum für eine Eskalation der Gewalt gesorgt, der
letzte Woche mindestens 20 Menschen zum Opfer fielen.
Für den 29. Februar hatten Kameruns Taxifahrer zu einem Streik gegen Preiserhöhung für Benzin
und die generell enorm steigenden Lebenshaltungskosten aufgerufen. Ein geringes Zugeständnis
der Regierung hatte dann für eine Absage des Streiks ausgereicht. Doch Teile der Bevölkerung und
insbesondere eine marginalisierte Jugend ließ sich nicht von einer Revolte abhalten, die sich vor
allem auch gegen das Ansinnen von Biya richtete, mit einer Verfassungsänderung den Weg für eine
erneute Kandidatur 2011 zu ebnen. Zentrum der Auseinandersetzungen war die Drei-Millionen-Stadt
und Wirtschaftsmetropole Kameruns, Douala. Aber auch in der Hauptstadt Yaoundé sowie in
Bamenda, einer Bastion der politischen Opposition, und weiteren Städten kam es zu heftigen
Unruhen. Es wurden Regierungsgebäude in Brand gesetzt, Supermärkte geplündert und Internate
angegriffen, in denen die Söhne und Töchter der Reichen ausgebildet werden. Nach einer Drohrede
von Präsident Biya, in der er die politische Opposition – namentlich die Sozialdemokratische Front
(FSD) von John Fru Ndi – zu Drahtziehern erklärte, ebbten die Unruhen ab.
Die Unruhen sind Ausdruck der geballten Frustration und Unzufriedenheit in einem Land, das selbst
für afrikanische Verhältnisse ein ungewöhnliches Niveau der Korruption aufweist. Die
Antikorruptionsorganisation Transparency International beispielsweise stellte fest, dass im
vergangenen Jahr 79 Prozent aller Kameruner Schmiergelder bezahlt hätten – mehr als in
irgendeinem anderen Land der Welt.
So richten sich die Proteste auch gegen das autokratische Regime Biyas, das dieser nun zudem
mittels einer Verfassungsänderung noch einmal verlängern will. Biya war 1982 als Nachfolger
Ahmadou Ahidjos zum Präsidenten gekürt worden. Sein politischer Ziehvater seinerseits verdankte
sein Amt der französischen Kolonialmacht, die zuvor die linksnationalistische Unabhängigkeitspartei
UPC in einem blutigen Guerillakrieg niedergerungen hatte. Bereits Anfang der 90er Jahre, als der
Westen auch für Afrika die Demokratie entdeckte, war es in Kamerun zu Unruhen gekommen, die
darauf abzielten, endlich ein Mehrparteiensystem durchzusetzen. Das existiert formell, aber im
Parlament verfügt Biyas Partei über 152 von 180 Sitzen, der Opposition zufolge durch massive
Wahlfälschung. Auf jeden Fall wurde das gegenwärtige Parlament von nicht mehr als 25 Prozent der
Berechtigten gewählt.
In seiner Neujahrsbotschaft hat Biya, der zuvor schon durch eine Verfassungsänderung die
Amtsdauer des Präsidenten von fünf auf sieben Jahre verlängert hatte, nun eine
Verfassungsänderung angekündigt, die ihm eine weitere Amtszeit ermöglichen solle. Dagegen hat
sich eine breite Front der politischen und gesellschaftlichen Opposition gebildet, die bereits am 18.
Januar fast eine Million Unterschriften gegen diesen Plan vorweisen konnte. Nach dem durch
Gewalt und die Androhung von noch mehr Gewalt erzwungenen Ende des Aufruhrs, wird nun
erwartet, dass Biya sein Vorhaben ohne nennenswerte Opposition durchsetzen wird.
Menschenrechtler fürchten gar die Zerschlagung jeglicher zivilgesellschaftlicher Opposition. Gegen
neue soziale Explosionen ist Biya mit dieser Strategie aber sicher nicht gefeit.
* Aus: Neues Deutschland, 6. März 2008
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