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Protest gegen "afrikanisches Folterregime"

In Bonn besetzten junge Exil-Ambazonier die Botschaft der Republik Kamerun

Von Valentine Eben und Birgit Gärtner

Der 1. Oktober gilt in der Republik Kamerun als Unabhängigkeitstag. Ein Freudentag allerdings nur für die Bevölkerung Französisch-Kameruns. Für den englischsprachigen südlichen Landesteil, das ehemalige Ambazonien (zur Landesgeschichte siehe jW vom 27.9.), ist er eher ein Grund zur Trauer. Mit brutaler Gewalt sichert Staatspräsident Paul Biya seine Macht und setzt so vor allem seine ökonomischen Ansprüche gegen die Bevölkerung im Südteil durch. Um auf die andauernden Menschenrechtsverletzungen in dem afrikanischen Staat aufmerksam zu machen, besetzte eine Gruppe von Mitgliedern der Southern Cameroon Youth League (SCYL), des Süd-Kameruner Jugendbundes, am Montag die Botschaft der Republik Kamerun in Bonn. Drei Stunden okkupierten sie die Landesvertretung, dann drangen Polizeibeamte in das Gebäude ein und nahmen alle Anwesenden in Gewahrsam. Nach stundenlangen Verhören wurden alle im Laufe der folgenden Nacht wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt gegen sie wegen Hausfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Körperverletzung.

In dem Land sind alle hohen Regierungsämter mit Personen aus Französisch-Cameroun besetzt, an den Universitäten wird nur in französisch gelehrt. Ambazonien ist reich an Bodenschätzen, es hat vor allem Rohöl zu bieten. Den Profit aus dem Geschäft mit dem schwarzen Gold, in das vorwiegend die Konzerne Shell und Elf Aquitaine involviert sind, streicht Biya größtenteils privat ein. Obwohl es seit 1996 ein Gesetz gibt, nach dem alle Regierungsangehörigen ihre Vermögensverhältnisse offenlegen müssen, wurde der Staatspräsident in seiner nunmehr zwanzigjährigen Amtszeit zum reichsten Mann Kameruns. Als er besagtes Gesetz unterzeichnete, hatte er sich längst eine Hintertür geöffnet: In Notfällen ist es dem Präsidenten erlaubt, Konten zu führen, die niemand einsehen darf. Solche »Notfallkonten« hat Biya beispielsweise in der Schweiz. Außerdem nennt er größere Anwesen in den USA, Frankreich und in der BRD sein eigen. Titus Edzoa, ein ehemaliger Vertrauter Biyas, der inzwischen im französischen Exil lebt, enthüllte in einer Tageszeitung, daß der Präsident einen beträchtlichen Teil seines Vermögens in die Stadtklinik Baden-Baden, ein Lehrkrankenhaus der Universität Heidelberg, investiert hat.

Am 1. Oktober protestierten weltweit Tausende gegen das Regime Paul Biyas und die ihn unterstützenden westlichen Industriestaaten. In den USA zogen Exil-Ambazonier vor die Botschaft Großbritanniens, um auf die Kollaboration des Königreiches mit dem Folterregime aufmerksam zu machen.

Aus: junge Welt, 4. Oktober 2002

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