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Gespannte Ruhe in Kambodscha

Kampf um Mindestlöhne in der Textilindustrie noch nicht zu Ende

Von Michelle Tolson, Phnom Penh (IPS) *

In Kambodscha herrscht gespannte Ruhe, seitdem die Regierung im Januar gewalttätig gegen protestierende Textilarbeiter vorgegangen ist. Bei einer Militäraktion gegen Streikende am 3. Januar wurden vier Menschen getötet und mehr als 30 Demonstranten schwer verletzt. Das Versammlungsrecht wurde ausgehebelt, und 23 Gewerkschaftsaktivisten stehen Gerichtsverfahren ins Haus. Im Lande gärt die Unzufriedenheit. »Es hätte niemals ein solches Versammlungsverbot geben dürfen. Es ist verfassungswidrig und verstößt gegen verschiedenen Abkommen, die Kambodscha ratifiziert hat«, kritisierte Naly Pilorge, Direktorin der Menschenrechtsorganisation ­mmLICADHO.

Nach Ansicht der Vereinigung der Textilhersteller in Kambodscha (GMAC), die zu 93 Prozent ausländische Unternehmer aus Singapur, Hongkong, Taiwan und Südkorea vertritt, besitzen die Beschäftigten kein Streikrecht. »Die Versammlungsfreiheit darf nicht als Rechtfertigung für illegale Verhaltensweisen herhalten und die Möglichkeiten des Staates, seinen Regierungsaufgaben nachzukommen, unterwandern », heißt es in einer Erklärung auf der Website von GMAC. Sie spielte auf Proteste am 2. und 3. Januar an, die vom Militär niedergeschlagen worden waren.

Der GMAC zufolge würden die Gewerkschaften in den Textilfabriken weiterhin »Unfrieden stiften«. Viele der Organisationen seien gar nicht repräsentativ und versuchten, sich mit ihren Aktivitäten bei den Beschäftigten beliebt zu machen. Die Mitgliederzahlen würden künstlich aufgebläht.

Aktivisten weisen diese Darstellung als Einschüchterungsmanöver zurück. Vertreter von Gewerkschaften in aller Welt demonstrieren vor kambodschanischen Konsulaten, um die Textilarbeiter des Landes zu unterstützen. Wenige Tage vor Beginn der Proteste zu Jahresbeginn hatte das Arbeitsministerium einer Anhebung des Mindestlohns von 80 auf 95 US-Dollar im Monat zugestimmt. Den Gewerkschaften ging dieses Angebot jedoch nicht weit genug. Sie verlangten ein Mindesteinkommen von 160 Dollar monatlich. Denjenigen, die das vertraten, drohen nun der Verlust ihrer Arbeitsplätze und Gerichtsverfahren.

Der Arbeitsexperte Dennis Arnold hat in einem Bericht dargelegt, wie die Verhandlungsstärke kambodschanischer Arbeiter nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens der Welthandelsorganisation WTO im Jahr 2005 erheblich abgenommen hat. Vor dem Abkommen hätten die meisten Arbeiter mit langfristigen Verträgen gearbeitet und Urlaubsgeld, Krankengeld und Mutterschutz in Anspruch nehmen können. Später wurden diese Anstellungen auf drei bis sechs Monate verkürzt und die Sozialleistungen abgeschafft.

* Aus: junge welt, Donnerstag, 13. März 2014


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