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Haushaltshilfen werden wieder "exportiert"

Kambodscha: Ministerium als Aufsichtsorgan personell eng mit Vermittlungsagenturen verquickt

Von Thomas Berger *

Vor gut zweieinhalb Jahren stoppte Kambodschas Regierung die Entsendung von Haushaltshilfen nach Malaysia und in die Golfstaaten. Das Moratorium vom Oktober 2011 sollte dazu dienen, Arbeitsbedingungen und Kontrollmöglichkeiten zu verbessern. Der Maßnahme war eine Reihe von Skandalen um Mißhandlungen, Betrug und verweigerte Bezahlung vorausgegangen.

Jetzt aber steht die Unterzeichnung eines Rahmenabkommens mit Malaysia kurz bevor. Auch nach Singapur und Saudi-Arabien sollen bald wieder Kambodschanerinnen geschickt werden dürfen. Allein 300000 Frauen könnten sich demnächst auf den Weg nach Malaysia machen.

Nach dem Stopp ergänzte das Arbeitsministerium die geltenden Vorschriften für den Sektor um Erlasse, die den eigenen Mitarbeitern stärker als bisher eine Aufsichtsfunktion zugestehen. »Wenn all diese neuen Regula­rien ordnungsgemäß umgesetzt werden, wird das das gesamte System erheblich verbessern«, zitierte die Tageszeitung Cambodia Daily Tun ­Sophorn, den nationalen Koordinator der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).

Allerdings wird bei den Kontrollen der Bock zum Gärtner gemacht, schreibt das Blatt: Ausgerechnet die höchsten Ebenen des Ministeriums sind durchsetzt mit Personen, die über ihre Familien eine direkte Verbindung zu Vermittlungsagenturen haben. Zum Beispiel Seng Sakada, Generaldirektor im Ministerium: Er war federführend an der Ausgestaltung des neuen Deals mit Malaysia beteiligt und leitete auch die Delegation, die Mitte Mai zur wahrscheinlich letzten Verhandlungsrunde vor Unterzeichnung des Memorandums mit der malaysischen Seite zusammentraf. Bei ihm lag auch die Entscheidung darüber, mit welchen Vermittlungsfirmen das Pilotprojekt der Entsendung von Haushaltshilfen nach Singapur starten soll. Drei Agenturen haben den Zuschlag erhalten – eine davon gehört seiner Tochter Seng Toussita.

Auch Staatssekretär Othsman Hassan ist befangen. Seiner Familie gehört die in der Hauptstadt Phnom Penh ansässige Rekrutierungsfirma Human Resources Development Company, wie eine Menschenrechtsgruppe in Erfahrung brachte. Hassan mahnte im Dezember zur Eile: »Je mehr Arbeiterinnen wir entsenden, desto mehr Geld können wir verdienen und desto mehr Geld fließt zurück nach Kambodscha.« Tatsächlich ist der Sektor von großer wirtschaftlicher Bedeutung für das Land – obwohl der Staatssekretär wohl auch die Profite aus Vermittlungsgebühren im Sinn hatte. 300000 Hausangestellte in Malaysia würden Schätzungen zufolge jährlich rund 1,5 Milliarden Dollar in die Heimat überweisen.

Ende 2013 hatte Kuala Lumpur die Verhandlungen beinahe platzen lassen, weil die kambodschanische Seite eine Garantie für menschenwürdige Behandlung der Frauen, ausreichende Mahlzeiten und eine gewisse Zahl arbeitsfreier Tage verlangt hatte. Ob es solche Zusicherungen jetzt geben wird, ist noch unklar.

Und selbst wenn, würde sich nicht automatisch etwas ändern, solange es keine wirksamen Kontrollen gibt. Denn oft beginnt die Ausbeutung schon in den Agenturen, die den Frauen Knebelverträge aufnötigen und für die Ausstellung von Pässen und die Vermittlung der Arbeitsverträge Unsummen verlangen. Deshalb müssen sie mit ihrem kargen Lohn oft lange Zeit diese »Schulden« tilgen, bevor sie Geld nach Hause schicken können. Gerade die Ung Rithi Group, eine Agentur, die für Singapur den Zuschlag erhalten hat, war 2011 von Menschenrechtsgruppen scharf kritisiert worden. Exfrauenministerin Mu Sochua, die 2013 für die oppositionelle Nationale Rettungspartei (CNRP) ins Parlament gewählt worden war, berichtete Cambodia Daily, sie bekomme noch immer Anrufe von Familien, deren Schwestern oder Töchter als Hausmädchen irgendwo in Malaysia verschollen seien.

* Aus: junge Welt, Freitag 30. Mai 2014


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