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"Khmer brachten Khmer um"

"Fall 1" vor dem Kambodscha-Tribunal

Von Michael Lenz, Phnom Penh *

30 Jahre nach dem Ende der Schreckensherrschaft Pol Pots in Kambodscha beginnt die juristische Aufarbeitung des Regimes, das zwischen 1975 und 1979 etwa zwei Millionen Kambodschanern den Tod brachte.

Mit der Verlesung der Anklageschrift wurde am Montag in Phnom Penh das Hauptverfahren im »Fall 1« eröffnet. Vor Gericht steht Kaing Guek Eav, genannt Duch. Der frühere Mathematiklehrer leitete das Gefängnis Tuol Sleng in Phnom Penh, in dem nachweislich 12 380 Männer, Frauen und Kinder gefoltert und ermordet wurden. Duch werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Folter und Mord vorgeworfen.

Die Ermittlungsrichter sehen es als erwiesen an, dass Tuol Sleng zu dem Zweck eingerichtet wurde, »politische Gegner oder vermeintliche politische Gegner zu inhaftieren und zu exekutieren«. Duch selbst hatte sich nach seiner Verhaftung 1999 zu seiner Verantwortung als Direktor des Gefängnisses bekannt. Er sagte den Ermittlern, mit der Festnahme habe die Schuld der Gefangenen bereits festgestanden, seine Aufgabe sei nur noch gewesen, Geständnisse als Spione zu erpressen, ehe die Menschen ermordet wurden. Er habe jedoch nur auf Befehl der Führung von »Angkar«, wie sich die politische Organisation des Pol-Pot-Regimes nannte, gehandelt und nicht selbst Hand angelegt.

Duchs französischer Anwalt Francois Roux kündigte an, sein Mandant, der drei Jahre vor seiner Verhaftung zum Christentum übergetreten war, werde im Laufe der nächsten Tage aussagen und sich auch an die Angehörigen der Opfer wenden. Bei einem Schuldspruch droht dem 66-Jährigen lebenslange Haft.

Überschattet wird der Beginn der Verhandlung von Korruptionsvorwürfen. Kambodschanische Mitarbeiter der »Außerordentlichen Kammern bei den Gerichten Kambodschas« (ECCC) -- wie das Tribunal offiziell heißt -- sollen große Teile ihrer Gehälter an Vorgesetzte abgeben müssen, heißt es. Das Ergebnis einer Untersuchung durch die Vereinten Nation wird unter Verschluss gehalten. Der Schweizer Anwalt Alain Werner, der eine Gruppe von Opfern vor dem Tribunal vertritt, sagte: »Das ist eine unglückliche Situation, in der Gerüchte und Spekulationen gedeihen. Das kann Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der ECCC haben.« Die neuseeländische Richterin Silvia Cartwright glaubt indes nicht, dass das Gericht durch die Vorwürfe kompromittiert sei, anderenfalls hätten einige ihrer Kollegen schon »ihre Sachen gepackt«. Das Kambodscha-Tribunal ist der erste internationale Gerichtshof mit mehrheitlich einheimischen Richtern und Anklägern. Urteile können jedoch nur mit Zustimmung mindestens eines ausländischen Richters gefällt werden. Kritiker bemängeln, dass durch die Beschränkung der Ermittlungen auf den Zeitraum 1975 bis 1979 der historische Kontext von Vietnamkrieg und Kaltem Krieg ignoriert wird, der die Machtergreifung des 1998 verstorbenen Pol Pot erst ermöglichte. Theary Seng, Nebenklägerin und Leiterin der Bürgerrechtsorganisation Zentrum für soziale Entwicklung, betont jedoch: »Es hilft nicht, mit den Fingern auf die USA oder China zu zeigen. Es waren Khmer, die Khmer umgebracht haben.«

* Aus: Neues Deutschland, 31. März 2009


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