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Neuer Anlauf zur Lösung des Tempelstreits

Thailand und Kambodscha wollen offizielle Verhandlungen über Grenzkonflikt aufnehmen

Von Thomas Berger *

Zumindest eines hat der Machtwechsel in Bangkok nach dem klaren Wahlsieg der Pheu- Thai-Partei vom 3. Juli schon bewirkt: Zwischen Thailand und Kambodscha zeichnet sich eine Entspannung ab. Die Regierungen der beiden südostasiatischen Nachbarstaaten scheinen gewillt, ihren Grenzstreit auf bilateralem Weg beizulegen. Die Vermittlung des ebenfalls zum regionalen Staatenbund ASEAN gehörenden Indonesien wird wenigstens in Gestalt von Überwachern des umstrittenen Grenzsektors wohl nicht gebraucht werden, verlautete zu Wochenbeginn.

Kambodscha hatte einen neuen Vorstoß unternommen, den mehr als ein halbes Jahrhundert zurückreichenden Konflikt, der zuletzt immer wieder gewaltsam eskaliert war, in direkten Gesprächen zu lösen. Die neue thailändische Regierung unter Yingluck Shinawatra griff die Initiative aus Phnom Penh auf. Beim nächsten Treffen des Grenzkomitees (GBC), das seit längerer Zeit schon nicht mehr zusammengetreten ist, könnten die Verhandlungen offiziell aufgenommen werden, ließ Verteidigungsminister General Yutthasak Sasiprapa am Dienstag in Bangkok wissen. Vorsitzende des GBC sind die Verteidigungsminister der beiden Länder.

In Südostasien sind damit berechtigte Hoffnung geweckt, daß es zu einem Neuanfang im Verhältnis der Nachbarn kommt. Zumindest die Rahmenbedingungen haben sich mit der Wahl gewandelt: Yingluck ist die jüngste Schwester des 2006 gestürzten Regierungschefs Thaksin, der ein sehr gutes Verhältnis zum kambodschanischen Regierungschef Hun Sen hat, zwischenzeitlich sogar als dessen Berater in Wirtschaftsfragen fungierte. Dies gilt als eine wichtige Grundlage, vertrauensvoll in Gespräche einzusteigen, auch wenn es schnelle Ergebnisse kaum geben dürfte.

Seit Jahrzehnten streiten beide Staaten um den aus dem 9./10. Jahrhundert, dem Zeitalter des Khmer-Großreiches von Angkor, stammenden Tempel Preah Vihear, der faktisch auf der in diesem Bereich nicht genau ausgewiesenen Grenzlinie liegt. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hatte das Heiligtum 1962 den Kambodschanern zugesprochen, unklar blieb aber die territoriale Zuordnung des umliegenden Grundstücks. 2008 kochte der schwelende Konflikt seit längerer Zeit erstmals wieder hoch. Es gab eine militärische Konfrontation in dem Grenzabschnitt. Zuletzt kam es im Frühjahr dieses Jahres zu heftigen Schußwechseln. Tausende Bewohner umliegender Ortschaften auf beiden Seiten wurden in die Flucht getrieben. Der Internationale Gerichtshof hatte im Juli eine entmilitarisierte Zone um Preah Vihear angeordnet, deren Respektierung durch indonesische Überwacher kontrolliert werden soll. Diese stehen bereit, mit ihrer Mission zu beginnen.

Ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung einer mittelfristigen Einigung zur Kernfrage ist die Ankündigung aus Bangkok, daß Thailand seinen Rückzug aus der Welterbekommission der UNESCO überdenken wolle. Dieser war von der Vorgängeradministration unter Expremier Abhisit Vejjajiva im Juni erfolgt. Abhisit gab damit dem Druck von Hardlinern in Armeekreisen sowie nationalistischer Eiferer nach. Gruppen wie die sogenannten Gelbhemden der Volksallianz für Demokratie (PAD) sind gegen jegliche Zugeständnisse gegenüber territorialen Ansprüchen aus Phnom Penh. Mit dem Rückzug aus der Welterbekommission sollte dagegen protestiert werden, daß sich das Gremium mit kambodschanischen Plänen für die zukünftige Gestaltung des Tempelareals befassen wollte.

* Aus: junge Welt, 20. August 2011


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