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Dunkle Geschäfte in Kambodscha

Regierung überlässt Ausländern große Agrarflächen

Von Robert Carmichael, Phnom Penh (IPS) *

In Kambodscha macht die Landbevölkerung ihrem Zorn auf die Regierung in Phnom Penh immer häufiger Luft. Sie protestiert gegen die großzügige Vergabe von ergiebigem Agrarland an ausländische und einheimische Unternehmen.

Für Kambodschas Staatskasse ist der Landverkauf ein lukratives Geschäft, für die Landbevölkerung ein Schlag ins Gesicht. Die Geschäfte werden meist ohne Rücksprache mit den betroffenen Dorfbewohnern abgeschlossen. In der Öffentlichkeit nimmt die Kritik am fehlen von Transparenz bei solchen Vertragsabschlüssen zu. Erst kürzlich blockierten in der Provinz Kandal, nicht weit von der Hauptstadt Phnom Penh entfernt, aufgebrachte Bauern die Nationalstraße 2. Sie wollten wissen, was die Planierraupen eines Erschließungsunternehmens auf ihrem Land zu suchen hatten, die seit Tagen dabei waren, hunderte Hektar Land abzuholzen. Zehn Demonstranten wurden verhaftet.

In den vergangenen Jahren hatte Kambodscha bereits an Unternehmen aus China, Vietnam, Südkorea, Kuwait und Katar Land verpachtet oder verkauft. Den ausländischen Interessenten geht es darum, Nahrungsmittel für den Bedarf ihrer eigenen Bevölkerung sowie weltweit nachgefragte Exportgüter wie Kautschuk anzubauen.

Derzeit wird Phnom Penh nicht müde, ein Landgeschäft zu propagieren, das den Rahmen der bisherigen Pacht- und Kaufverträge sprengt. Der australische Unternehmer Peter Costello, Geschäftsführer der in Sydney ansässigen BKK Partners Ltd. und langjähriger Finanzminister (1996-2007) in der Koalitionsregierung von John Howard, will 600 Millionen US-Dollar in ein Agrarprojekt investieren. Die Rede ist von mehr als 100 000 Hektar Land und von 150 000 neuen Arbeitsplätzen, die Costello Kambodschas stellvertretendem Regierungschef zugesagt hat.

In einem Interview mit der »Phnom Penh Post« erklärte Costello, der die Weltbank zeitweise in Sachen Transparenz und gute Regierungsarbeit beraten hatte: »Wir haben erlebt, wie 2008 die Nahrungsmittelpreise explodiert sind. Deshalb halte ich Investitionen in die Landwirtschaft in den nächsten Jahrzehnten für lohnend, zumal sie Kambodscha glänzende Chancen bieten.« Doch Kritiker vermissen auch in diesem Projekt jede Transparenz. Wie schon in der Vergangenheit behandelt die Regierung Pacht- und Kaufverträge für Land vertraulich, obwohl es dabei häufig um Staatsbesitz geht.

Der Oppositionspolitiker Son Chhay, früher Vorsitzender des auswärtigen Parlamentsausschusses, klagte, sein Stellvertreter von der regierenden Kambodschanischen Volkspartei habe ihn regelmäßig daran gehindert, sich Informationen über Verträge zu beschaffen, die die Regierung mit anderen Staaten geschlossen hatte. Geheimniskrämerei sei seit langem Teil der oft dunklen Investitionsgeschäfte. »Wir bekommen diese Verträge immer noch nicht zu Gesicht«, erklärte er. »Für unsere Farmer und die indigenen Volksgruppen ist es ein großes Problem, dass sie nicht wissen, was in den Verträgen steht.« Der angehende Großinvestor Costello betonte bei seinem Besuch in Kambodscha die Bedeutung von Transparenz und verurteilte Korruption. »Man sollte ihn beim Word nehmen«, meinte Son Chhay. »Ich würde es sehr begrüßen, wenn BKK den Vertrag veröffentlicht, so dass auch ich eine Kopie davon erhalte.«

Kambodschas Landrecht ist ohnehin kompliziert. Während ihres Terrorregimes in den 70er Jahren hatten die Pol-Potisten das Privateigentum abgeschafft und Nachweise über Landbesitz vernichtet. In den vergangenen Jahren wurden zwar etwa 1,1 Millionen neue Landtitel vergeben. Nach Angaben der Weltbank machen sie jedoch nicht einmal zehn Prozent der privaten Flächen aus. Da fast 80 Prozent der 14 Millionen Kambodschaner auf dem Land und 40 Prozent unterhalb der Armutsgrenze leben, sehen viele Beobachter in der zunehmenden Landlosigkeit eine Gefahr für die soziale Stabilität. 2007 hatte Kambodschas Vertretung des UN-Menschenrechtsrates in einem Bericht über Agrarkonzessionen festgestellt, dass 59 Verträge über Agroplantagen von insgesamt 950 000 Hektar mit Privatunternehmen abgeschlossen worden waren. Der Bericht betonte, in dieser Bilanz seien die vielen kleineren Landverkäufe und -verpachtungen nicht enthalten. »Diese Konzessionen wurden ohne Rücksicht auf die Menschenrechte und die Existenzgrundlage der kambodschanischen Landgemeinden vergeben«, heißt es darin.

Regierungschef Hun Sen lässt keinen Zweifel daran, dass das öffentliche Interesse bei Agroinvestitionen Vorrang hat. Am Beispiel der 100 Millionen Dollar teuren Erweiterung der Zuckerfabrik des thailändischen Konzerns Khon Kaen, an der ein hochrangiger kambodschanischer Regierungspolitiker beteiligt ist, machte Hun Sen klar, was unter nationalem Interesse zu verstehen ist. Das Unternehmen benötige für die Erweiterung seiner Produktionsanlagen zusätzliche Arbeiter und noch mehr Land, stellte er fest. Einen über 90 Jahre geltenden Pachtvertrag für 20 000 Hektar Land hatte Khon Kaen schon früher mit der Regierung abgeschlossen.

* Aus: Neues Deutschland, 20. April 2010


Landnahme mit deutscher Hilfe

Von Martin Ling **

Sicherheit, Entwicklung und Menschenrechte werden in der Rhetorik und den Konzepten des deutschen Entwicklungsministeriums (BMZ) groß geschrieben. Wenn die Sicherheit von Investoren auf die Menschenrechte von ländlicher Bevölkerung trifft, hat das BMZ eine klare Priorität. Das zeigt der Fall Kambodscha. Seit vielen Jahren ist die deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) dort in der Landpolitik aktiv. Anstoß daran, dass in Kambodscha in den letzten Jahren laut der Menschenrechtsorganisation FIAN 3 Millionen Hektar Land an nationale Eliten und internationale Investoren verteilt wurden, nahm das BMZ nicht, trotz Verletzung von Menschenrechten durch Vertreibung. Im Gegenteil: Die deutsche Durchführungsorganisation Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), die sich prinzipiell um die Vergabe von Landtiteln und damit um Rechtssicherheit kümmert, macht FIAN zufolge immer dort eine Ausnahme, wo Investoren ein Auge auf das Land geworfen haben.

Hier gilt in der Praxis das Motto: im Zweifel gegen die Landlosen. Dass Entwicklungsminister Dirk Niebel bei seiner jüngsten Kambodschareise der Durchsetzung der Menschenrechte höchste Priorität einräumte, muss in den Ohren der Betroffenen wie Hohn klingen, sollten sie sich in die Tiefen deutscher entwicklungspolitischer Zusammenhänge begeben. Der Widerspruch zwischen hehren theoretischen Positionen und entwicklungspolitischer Praxis dürfte sich unter Niebel, der sich selbst als Sachwalter deutscher Wirtschaftsinteressen versteht, noch vertiefen. Globalisierungskritiker Walden Bello nennt das eine Politik des Hungers. Ernährungssouveränität lässt sich nur über eine Förderung der ländlichen Entwicklung inklusive Kleinbauern erreichen, Investoren haben daran kein Interesse.

** Aus: Neues Deutschland, 20. April 2010 (Kommentar)


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