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Alte und neue Allianzen am Mekong

Premier Hun Sen setzt trotz eigener Parlamentsmehrheit bisherige Koalition fort

Von Thomas Berger, Phnom Penh *

Gut zwei Monate nach der Parlamentswahl in Kambodscha wurde die neue Regierung vereidigt: Die bisherige Koalition unter Ministerpräsident Hun Sen wird fortgeführt. In die Reihen der Opposition ist dagegen Bewegung geraten.

Die nach ihrem Parteichef benannte Sam-Rainsy-Partei (SRP) und die Menschenrechtspartei (MRPK) haben eine Allianz gebildet und wollen auf mittlere Sicht sogar verschmelzen, um Ministerpräsident Hun Sen und seiner Volkspartei stärkeren Widerstand entgegensetzen zu können. Prinz Norodom Ranariddh, Führer der dritten oppositionellen Partei, will sich allerdings aus der Politik zurückziehen. Das kündigte er am 2. Oktober vor Reportern an, nachdem er die Entscheidung zuvor seinem Halbbruder, König Sihamoni, mitgeteilt hatte. Damit verlöre die kambodschanische Politik eine ihrer schillernden Gestalten. Ranariddh, ältester Sohn des Königvaters Norodom Sihanouk, hatte mit der royalistischen FUNCINPEC-Partei 1993 die ersten Wahlen nach dem Friedensschluss der früheren Bürgerkriegsparteien gewonnen. Die folgende Machtteilung zwischen ihm als Erstem und Hun Sen als Zweitem Premier ging nicht lange gut. Aus dem Duo wurden erbitterte Gegner. In der Folge wurde Ranariddh in der FUNCINPEC kaltgestellt und schließlich sogar als Parteichef gestürzt. Die vergangenen zwei Jahre verbrachte er im Exil, denn zu Hause drohte ihm ein Prozess, weil er Millionen Dollar aus dem Verkauf der Parteizentrale veruntreut haben soll.

In Phnom Penh wird vermutet, der Rückzug Ranariddhs sei Teil eines Handels mit der Regierung, die ihm dafür Amnestie gewährte. Der Prinz ging sogar so weit, seinen einstigen Feind Hun Sen ausdrücklich zu loben, und äußerte den Wunsch nach Regierungsbeteiligung seiner neuen, nach ihm selbst benannten Partei NRP, die zwei Abgeordnetenmandate gewann. Doch Hun Sen lehnte ab.

Zwar hat die Volkspartei mit 90 von 123 Parlamentssitzen eine erdrückende Mehrheit, will aber die Zusammenarbeit mit der alten FUNCINPEC fortsetzen. Der bei der Wahl am 27. Juli arg gerupfte Koalitionspartner, der statt 26 nur noch zwei Parlamentssitze erhielt, wurde sogar reichlich mit Regierungsämtern bedacht. Dieser Kurs Hun Sens, der das Land faktisch seit mehr als zwei Jahrzehnten regiert, wird je nach Standpunkt als Versöhnungspolitik oder als fesselnde Umarmung früherer Gegner gewertet.

Während die drei Abgeordneten der Menschenrechtspartei der Vereidigung im Parlament fernblieben, entschlossen sich die 26 Mandatsträger der Sam-Rainsy-Partei in letzter Minute zur Teilnahme. Hun Sen hatte Parteichef Sam Rainsy eine Stärkung der parlamentarischen Rechte der Opposition zugesagt. SRP und MRPK beteuerten jedoch, dass ihr Oppositionsbündnis intakt und ein späterer Zusammenschluss möglich ist. Nur müsste sich Kem Sokha, Chef der Menschenrechtspartei, angesichts des Kräfteverhältnisses wohl damit abfinden, in einem solchen Bündnis die zweite Geige zu spielen. An seiner Bereitschaft dazu zweifeln viele. Kem gehörte einst der Partei der politischen Erben des USA-hörigen Lon-Nol-Regimes (1970-75) an. Nachdem er sich einige Jahre der Menschenrechtsarbeit gewidmet hatte, tauchte er 2007 wieder in der Politik auf. Kritiker werfen ihm vor, sein zivilgesellschaftliches Engagement zuvor habe von Anbeginn nur diesem Ziel gedient.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Oktober 2008


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