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Ein Jurist für inneren Frieden

Nach dem Rücktritt von Bakhit soll Khaswaneh die neue Regierung Jordaniens bilden

Von Karin Leukefeld, Amman *

Der neue Ministerpräsident Khaswaneh ist wegen seiner Tätigkeiten in internationalen Institutionen in Jordanien kaum bekannt. Wie eine Umfrage der »Jordan Times« ergab, erhofft sich die Bevölkerung dennoch von ihm Reformen im Königreich.

In Jordanien ist innerhalb von sechs Monaten zum zweiten Mal die gesamte Regierung zurückgetreten. König Abdallah II hatte Ministerpräsident Marouf Bakhit erst Anfang Februar mit den Regierungsgeschäften beauftragt. Zuvor hatte Jordanien heftige Proteste erlebt, die offenbar von den Demonstrationen in Tunesien und Ägypten inspiriert waren. Die Protestierenden forderten Maßnahmen gegen die hohe Arbeitslosigkeit und ständig steigende Preise, insbesondere für Grundnahrungsmittel und Benzin. Außerdem verlangten sie politische Reformen wie das Recht, den Ministerpräsidenten vom Volk wählen zu lassen.

Die Ernennung des pensionierten Generalmajors Bakhit, der im Laufe seiner politischen Karriere Botschafter in Israel und in der Türkei sowie Nationaler Sicherheitsberater war, stieß umgehend auf Kritik. Hamsah Mansour, Vorsitzender der einflussreichen Islamischen Aktionsfront (IAF), dem politischen Arm der jordanischen Muslimbruderschaft, erklärte im Februar, Bakhit sei kein Mann von Reformen, es gebe »keinen Grund die Proteste einzustellen.« Bakhit habe die Parlamentswahlen 2007 gefälscht, er sei »ein Mann der Korruption und Unterdrückung«.

Die Vorwürfe hatten sich in den letzten Wochen verstärkt, zumal das von König Abdallah II in Auftrag gegebene Reformprogramm keine Erfolge zeigte. Zu teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen war es über die Vorbereitung der für Dezember vorgesehenen Gemeinderatswahlen gekommen. Bakhit hatte außerordentliche Geldzuwendungen veranlasst, um der Stammesbevölkerung in den ländlichen Gebieten entgegen zu kommen. Kritiker warfen ihm vor, mit den Geldgeschenken die wirtschaftliche Situation zu verschärfen. Außerdem grenze er die palästinensische Bevölkerung aus, mehr als 60 Prozent der Einwohner Jordaniens. In der vergangenen Woche hatten 70 Parlamentsabgeordnete in einem Brief an den König die Ablösung Bakhits verlangt, der daraufhin seinen Rücktritt erklärte.

Der Jurist Awn Khaswaneh wurde nun von König Abdallah II zum neuen Ministerpräsidenten ernannt. Khaswaneh hat sich ausdrücklich »Nichteinmischung von außen« ausbedungen, in Jordanien gilt er als Mann des Ausgleichs. In einer ersten Stellungnahme erklärte er, mit allen Parteien und Gruppen Gespräche zu führen, um eine breit verankerte Regierung bilden zu können. Ausdrücklich begrüßte die Islamische Aktionsfront die Ernennung Khaswanehs. Dieser hat Jordanien viele Jahre bei den Vereinten Nationen in New York vertreten. Zuletzt war der 61-Jährige Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag.

Veränderungen gibt es auch im weithin gefürchteten jordanischen Geheimdienst, der als enger Verbündeter Israels und der USA gilt. König Abdallah II ersetzte den bisherigen Chef Mohammed al-Raqqad durch Faisal al-Schobaki. Dies wird als Zeichen dafür gewertet, dass der Geheimdienst sich zukünftig auf die Sicherheit nach außen konzentrieren und nicht länger die Jordanier in ihrem Alltagsleben belästigen soll.

* Aus: neues deutschland, 20. Oktober 2011


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