Friedensverhandlungen wären heute schwieriger
Der Jordanier Mundhir Haddadin handelte den vor 15 Jahren unterzeichneten Vertrag mit Israel aus
Zwischen Israel und Jordanien herrscht Frieden, seit vor 15 Jahren das Haschemitische Königreich als nach Ägypten zweiter arabischer Staat einen Vertrag mit mit dem jüdischen Staat unterzeichnete. Leiter der jordanischen Verhandlungsdelegation war damals Mundhir Haddadin. Mit dem Politiker, der auch Wasserminister Jordaniens war, sprach für "Neues Deutschland" Anna Marquardt.
Wenn Sie sich erinnern: Wie waren die politischen Bedingungen im Nahen Osten während der Verhandlungen über das Friedensabkommen?
Nach dem Einmarsch Iraks in Kuwait 1990 und dem folgenden Krieg, der mit der Niederlage
Bagdads endete, verstärkten sich die internationalen Bemühungen um einen umfassenden
Friedensvertrag der arabischen Staaten mit Israel. Besonders die Osloer Gespräche zwischen Israel
und den Palästinenesern ermöglichten auch direkte und offizielle Kontakte zwischen Israel und
Jordanien.
Zu jener Zeit gab es bereits informelle Abkommen. Die veränderte politische Situation erlaubte es
dem jordanischen König Hussein nun, in offizielle Verhandlungen zu treten. Unter Schirmherrschaft
des US-Präsidenten Bill Clinton unterzeichneten König Hussein und Ministerpräsident Yitzhak Rabin
schließlich den Friedensvertrag.
Welche Motive bewegten König Hussein, den Friedensvertrag abzuschließen?
König Hussein hatte natürlich in erster Linie das Wohlergehen des jordanischen Volkes im Blick.
Auch sah er sich so von der selbst auferlegten Pflicht entbunden, im Namen der Palästinenser zu
verhandeln. Weiter ging es um die Regelung von Grenzstreitigkeiten und Fragen der
Wasserverteilung. Letztlich sollte der Friedensvertrag mit Israel Baustein eines späteren Friedens für
die gesamte Region und die Lösung der palästinensischen Frage sein.
Welche Empfindungen hatten Sie bei den Verhandlungen?
Die Gespräche mit meinem israelischen Partner waren oft zermürbend. Ich erinnere mich noch
genau, dass ein Kollege aus der jordanischen Delegation zu mir kam und mich mahnte, sehr
vorsichtig zu sein, denn die Geschichte würde unsere Leistungen beurteilen. Ich erwiderte ihm, dass
ich mir dessen voll und ganz bewusst sei, er mir meinen Verhandlungspart überlassen und selbst bei
seinem Part dies bedenken solle. So spornten wir uns gegenseitig an, noch zielstrebiger und härter
mit den Israelis zu verhandeln. Ich fragte mich immer wieder, wie würde sich der normale Jordanier
bei diesem Vertrag fühlen? Sind seine Interessen berücksichtigt?
Empfinden Sie den Vertrag rückblickend als richtig, würden Sie ihn wieder so verhandeln?
Grundsätzlich ja, denn der Friedensvertrag mit Israel war und ist wichtig für unser Land, seine
Stabilität und die friedliche Entwicklung. Und Jordanien ist auch weiterhin an einer friedlichen
Lösung für die gesamte Region interessiert und leistet seinen Beitrag dafür.
Aber sicherlich wäre es heute schwieriger, einen Friedensvertrag mit Israel unter der
Verhandlungsleitung der USA zu gestalten. Denn zum einen haben sich die politischen Lager in
Israel verändert. Das Erstarken des nationalkonservativen Likud-Blocks und seine Positionen zur
Siedlungspolitik im Westjordanland erschweren heute weitere Verhandlungen.
Zum anderen bin ich heute nicht mehr sicher, zu welchem Grad die USA ein ehrliches Interesse an
einem gerechten und umfassenden Frieden für die Region haben. Nicht nur bei der Regierung von
George Bush jun. habe ich diesbezüglich kein Interesse gesehen, bei der neuen Führung unter
Barack Obama ist das kaum anders. Die jüngsten Äußerungen zur israelischen Siedlungspolitik
unterstreichen dies. Unter solchen Bedingungen wäre damals dieser Friedensvertrag wahrscheinlich
nicht zu Stande gekommen.
Wie hat sich der Friedensvertrag auf Jordanien ausgewirkt?
Vor allem wirtschaftlich konnte Jordanien profitieren. Wir haben es geschafft, in einer nicht immer
stabilen Region unsere wirtschaftliche Entwicklung voranzubringen und unsere Gesellschaft in das
21. Jahrhundert zu führen.
Ist Jordaniens Position im Nahen Osten und im Rest der Welt durch den Vertrag geschwächt oder
gestärkt worden?
Jordaniens Position ist in jeder Hinsicht gestärkt worden. Ungeachtet aller Schwierigkeiten bin ich
auch heute überzeugt, dass alle unsere arabischen Nachbarstaaten ein Interesse an friedlichen
Lösungen haben. Da können Jordaniens Erfahrungen genutzt werden.
Sie waren auch Wasserminister Jordaniens. Haben Sie Ihre Ziele auch auf diesem Gebiet
durchsetzen können?
Ein grundsätzliches Ziel des Friedensvertrags war eine dauerhafte Lösung des Wasserkonflikts
zwischen beiden Staaten, die gegenseitige Anerkennung von Nutzungsrechten und eine verbesserte
Kooperation. Konkret bedeutete dies für uns die Zusicherung, größere Wassermengen aus dem
Jordan entnehmen zu dürfen und die israelischen Entnahmen aus dem Fluss Yarmuk zu begrenzen.
Für beide Flüsse wurde vereinbart, dass Jordanien im regenreicheren Winter Wasser speichert und
Israel zukommen lässt und dafür in den Sommermonaten Wasser von Israel erhält. Dies
unterstreicht den Kooperationsgedanken, der durch die Einrichtung eines gemeinsamen
Wasserkomitees verwirklich werden sollte.
Außerdem wurden zahlreiche Projekte zur Erschließung zusätzlicher Ressourcen vereinbart, von
denen vor allem Jordanien profitieren soll. Vertraglich geregelt wurde der Bau weiterer Dämme am
Jordan, um die Wasserversorgung Jordaniens zu sichern. Insgesamt konnten wir so unsere Ziele
weitgehend umsetzen. Allerdings gibt es in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten, weil die
Gesamtmenge des bereitzustellenden Wassers von Israel nicht festgelegt wurde.
Kann ein umfassender Frieden im Nahen Osten zu einer gerechten Wasserverteilung führen?
Ein gerechter und umfassender Frieden kann nicht nur, sondern er muss auch zu einer gerechten
Wasserverteilung führen. Der Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien hat gezeigt, welche
zentrale Rolle dem Wasser und seiner Verteilung zukommen muss, und ebenso, wie durch das
Interesse aller Beteiligten an der Ressource Anreize geschaffen werden können, friedliche Lösungen
zu finden. Kein Krieg erzeugt mehr Wasser. Das gilt auch für den israelisch-palästinensischen
Konflikt. Syrien, Libanon, Irak und die Türkei müssen ebenfalls in wasserpolitische Fragen
einbezogen werden.
Ein Beispiel für den Beitrag des israelisch-jordanischen Friedensvertrags zur Wasserverteilung und
sogar zur Neugewinnung von Ressourcen ist das von mir unterstützte Projekt des Kanals zwischen
Rotem und Totem Meer. Durch diesen Kanal, verbunden mit einer Entsalzungsanlage, könnten alle
drei beteiligten Länder -- Israel, Jordanien und Palästina -- mehrere Millionen Kubikmeter pro Jahr
zusätzlich an Trinkwasser gewinnen und darüber hinaus Energie erzeugen. Zurzeit beginnen gerade
die Machbarkeitsstudien.
* Aus: Neues Deutschland, 23. November 2009
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