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Streubomben und Blockade

Saudi-Arabien hungert den Jemen aus, aber lässt Nachschub für Al-Qaida durch

Von Knut Mellenthin *

Am Sonntag verbreitete Meldungen über den Einsatz von 40 bis 50 Mann einer saudiarabischen Spezialtruppe in der südjemenitischen Hafenstadt Aden waren offenbar falsch. Sie wurden nicht nur von Militärvertretern in Riad dementiert, sondern auch vom Sprecher der »Southern Popular Resistance« zurückgenommen, von dem das Gerücht ursprünglich ausgegangen war.

Die angebliche Entsendung einer Aufklärungsmission in das umkämpfte Aden war als möglicher Beginn einer Bodenoffensive der Saudis und ihrer Verbündeten interpretiert worden. Diese Spekulationen wurden dadurch genährt, dass der ägyptische Präsident Abdel Fattah Al-Sisi sich am Sonnabend zu einem Arbeitsbesuch in Riad aufgehalten hatte und mit König Salman zusammengetroffen war. Das hochgradig von saudischen Subventionen abhängige Ägypten gilt als wichtigster Entsendestaat von Truppen für eventuelle Bodenoperationen im Jemen.

Saudi-Arabien hatte am 26. März den Beginn einer Militärintervention im Nachbarland gegen die schiitische Minderheit – etwa ein Drittel der gesamten Bevölkerung – und gegen die mit dem früheren Präsidenten Ali Abdullah Saleh loyalen regulären Streitkräfte des Jemen bekanntgegeben. Der Einsatz von Bodentruppen sei nicht ausgeschlossen, hieß es damals in Riad und Kairo. Bisher beschränken sich die Saudis jedoch im wesentlichen auf Luftangriffe und vereinzelte Artilleriegefechte im Grenzgebiet. Zwar kündigte Riad am 21. April die Einstellung der Luftangriffe an, bei denen Hunderte von Zivilisten getötet worden waren, doch wurden diese seither sogar noch verstärkt.

Der im Januar gestürzte jemenitische Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi, dessen Wiedereinsetzung die Saudis fordern, hatte sich kurzzeitig nach Aden zurückgezogen und dort eine Gegenregierung gebildet. Der anhaltende Vormarsch der schiitischen Kampforganisation Ansarollah veranlasste Hadi Ende März zur Flucht nach Riad. In Aden finden Straßenkämpfe um den Flughafen, den Hafen und einzelne Stadtteile statt. Als Hauptgegner von Ansarollah treten dort die Milizen der »Southern Popular Resistance« auf, die in westlichen Medien meist als Anhänger Hadis bezeichnet werden. In Wirklichkeit handelt es sich um Separatisten, die den 1990 mit dem Norden vereinigten Südstaat wiederherstellen wollen.

Saudi-Arabien hat nach Erkenntnissen der US-Organisation Human Rights Watch bei einigen Luftangriffen sogenannte Streubomben aus US-amerikanischer Produktion verwendet. Das sind Behälter, die beim Abwurf mehrere hundert Sprengsätze über große Gebiete verteilen. Sie verursachen furchtbare Verletzungen. Da rund ein Zehntel dieser Minibomben nicht sofort explodieren, bleiben sie als Blindgänger liegen und stellen ein hohes Risiko für die Zivilbevölkerung, insbesondere für Kinder, dar. Diese Waffen sind durch eine im Mai 2008 beschlossene internationale Konvention geächtet. Bisher haben 116 Staaten – die Mehrheit aller UN-Mitglieder – dieses Abkommen unterzeichnet, von denen 91 es ratifiziert haben. Nicht beigetreten sind der Konvention die USA, Saudi-Arabien und Israel, aber auch Russland, China und fast alle Staaten Osteuropas einschließlich der Ukraine.

Saudi-Arabien hat gegen den Jemen eine Blockade zu Lande, zu Wasser und in der Luft verhängt. Zusammen mit den anhaltenden Kämpfen hat das zu einer extremen Knappheit an Lebensmitteln, Benzin und Heizöl geführt. Vor vielen Tankstellen haben sich lange Schlangen gebildet, in denen die Wartenden sogar übernachten. Aus Mangel an Benzin können kaum noch Lastwagen fahren, die lebenswichtigen Wasserpumpen fallen aus, Tiefkühlanlagen für das Frischhalten von Lebensmitteln können kaum noch betrieben werden. Selbst Krankenhäuser haben nur noch für kurze Zeit Strom. Von der Krise nicht betroffen ist jedoch die Hafenstadt Al-Mukallah im Südosten des Landes, die mit Duldung der Saudis über den Seeweg gut versorgt wird: Dort hat Anfang April der regionale Ableger von Al-Qaida die Macht übernommen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 5. Mai 2015


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