Luftkrieg im Jemen
Sanaa: Erneut 55 Aufständische getötet. Berichte nicht verifizierbar
Von Knut Mellenthin *
Nach unbestätigten Berichten hat die US-Regierung ihre Drohnenangriffe auf Ziele im Jemen auch am Montag fortgesetzt. Dabei sollen nach Angaben des jemenitischen Innenministeriums 55 »Al-Qaida-Kämpfer« getötet worden sein, die sich in einem abgelegenen Ausbildungslager in einer Bergregion befunden hätten. Unter den Toten seien drei »führende Mitglieder« des Terrornetzwerks gewesen, deren Namen jedoch zunächst nicht bekanntgegeben wurden. Schon am
Sonnabend und Sonntag waren angeblich bei mehreren Drohnenangriffen im Jemen bis zu 40 Menschen ums Leben gekommen, darunter mindestens drei unbeteiligte »Zivilisten«. Sie hatten sich in einem Fahrzeug zufällig auf derselben Straße befunden, auf der 15 Meter entfernt ein LKW mit angeblichen »Kämpfern« getroffen wurde.
Die Vorgänge, insbesondere der Angriff am Sonntag, entziehen sich einer Überprüfbarkeit durch internationale Journalisten oder Menschenrechtsgruppen. Die US-Regierung verweigert wie üblich jede Stellungnahme. Auf Nachfragen sagte Pentagon-Sprecher Steve Warren am Montag lediglich, daß es »eine starke kooperative Beziehung« zur Regierung des Jemen gebe. »Wir arbeiten gemeinsam an verschiedenen Initiativen im Bereich der Terrorismusbekämpfung, aber ich habe keinen speziellen Kommentar abzugeben.«
Hauptquelle der Berichte über die Angriffe an den Ostertagen ist das jemenitische Regimes, vor allem dessen Innenministerium, das Büro des von den USA eingesetzten Präsidenten Abdo Rabbu Mansur Hadi und der nationale Sicherheitsrat. Die Aussagen dieser Stellen enthalten zwar viele – weitgehend unbewiesene – Einzelheiten, konkretisieren jedoch nicht, von wem und mit welchen Waffen die Operationen ausgeführt wurden. Die Rede ist lediglich unbestimmt von einer gemeinsam mit den USA durchgeführten Offensive, nicht aber von Drohneneinsätzen. Die Regierung in Sanaa ist vielmehr darauf bedacht, durch vage Andeutungen den Eindruck zu erwecken, als hätten die landeseigenen Streitkräfte bei den Militärschlägen eine bedeutende Rolle gespielt. Tatsächlich ist das aber aufgrund der Schwäche und Unorganisiertheit des Regimes nicht unbedingt wahrscheinlich.
Daß es am Montag gelungen sein soll, mit einem einzigen Angriff 55 »Al-Qaida-Kämpfer« in einem Lager zu töten, ist schwer vorstellbar, nachdem die Aufständischen bereits durch die Militärschläge der beiden vorangegangenen Tage alarmiert waren und vermutlich ihre Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatten. Darüber hinaus handelt es sich lediglich um einen hemmungslos angewendeten Propagandabegriff des autoritären Regimes, den die US-Regierung und die westlichen Medien automatisch übernommen haben. Tatsächlich sind die angeblichen »Al-Qaida-Kämpfer« überwiegend bewaffnete Angehörige von Stämmen, gegen die das Regime in Sanaa aus sehr unterschiedlichen Gründen Krieg führt. Die Situation erinnert an den berüchtigten Bodycount der USA während des Vietnamkriegs, als alle Getöteten pauschal zu »Vietkong« erklärt wurden.
Anders als in Pakistan, dessen Regierung die Drohnenangriffe auf ihr Land offiziell scharf verurteilt, ist der jemenitische Diktator Hadi ein begeisterter Befürworter dieser Mordaktionen und scheint davon gar nicht genug kriegen zu können. Daß das jemenitische Parlament ein Verbot der US-amerikanischen Luftangriffe – manche werden mit Cruise Missiles statt mit Drohnen durchgeführt – beschlossen hat, beeindruckt Hadi offensichtlich nicht. Anlaß des Zorns der Abgeordneten war ein Militärschlag der USA gegen eine jemenitische Hochzeitsgesellschaft im Dezember 2013, bei der mindestens 16 Menschen getötet wurden.
Seit 2002 haben die USA mehr als hundertmal »Ziele« im Jemen mit bewaffneten Drohnen angegriffen – fast ausschließlich in der Amtszeit von Barack Obama. Die Zahl der Todesopfer liegt nach Schätzungen unabhängiger Beobachter zwischen 700 und 1000.
* Aus: junge welt, Mittwoch 23. April 2014
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