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Iran siegt im Jemen

Die von den USA eingesetzte und unterstützte Regierung hat im Konflikt mit den schiitischen Rebellen erneut eine Niederlage erlitten

Von Knut Mellenthin *

Die US-Marine bereitet sich darauf vor, in den Bürgerkrieg im Jemen einzugreifen. Am Mittwoch meldete das Wochenblatt Navy Times unter Berufung auf eine Marine-Sprecherin, dass die Landungsschiffe Iwo Jima und Fort McHenry ins Rote Meer vor die jemenitische Küste verlegt wurden. Beide Schiffe operierten vorher schon unter dem Vorwand militärischer Übungen im Golf von Aden. Aus ersten Berichten ging nicht hervor, wie viele Marines sich an Bord befinden. Nach offiziellen Angaben könnten die Schiffe zusammen rund 2.400 Soldaten transportieren. Ein Sprecher der für die Region zuständigen Fünften Flotte sagte, dass sie bereitgestellt worden seien, »um Operationen zum Schutz der Amerikaner im Jemen zu unterstützen, falls das notwendig werden sollte«. Nach Aussagen des US-Außenministeriums geht es vor allem um eine eventuelle Evakuierung des Personals der Botschaft in Sanaa.

Hintergrund der jüngsten Zuspitzung ist die Eroberung des Präsidentenpalasts durch schiitische Rebellen am Dienstag. In den westlichen Medien werden sie meist – nach dem Namen eines ihrer früheren Führer – als »Huthis« bezeichnet. Sie selbst nennen ihre Organisation »Ansarollah«, »Kämpfer Gottes«. Die überwiegend im Norden des Landes lebenden jemenitischen Schiiten bilden ungefähr ein Drittel der Gesamtbevölkerung. Sie gehören einem anderen Zweig der schiitischen Glaubensgemeinschaft an als die Iraner, werden aber von Teheran offen unterstützt. Das jemenitische Militär hat in den vergangenen zehn Jahren mehrere Feldzüge gegen die »Huthis« geführt, die immer wieder große Verluste erlitten. Das saudische Regime beteiligte sich daran nicht nur mit Waffenlieferungen und Finanzhilfen, sondern zeitweise auch mit Luftangriffen.

Eine entscheidende Wende trat erst im vergangenen Jahr ein. Nach wochenlangen militärischen Konfrontationen, die zunächst durch Proteste gegen die Kürzung der Benzinsubventionen ausgelöst worden waren, besetzten »Ansarollah«-Truppen im September die Hauptstadt Sanaa. Von dort aus marschierten sie weiter Richtung Süden, um gegen die örtliche Filiale von Al-Qaida, AQAP, und deren Verbündete unter den sunnitischen Stämmen zu kämpfen.

Die jüngsten Kämpfe in Sanaa hatten Anfang der Woche begonnen. Ziel von »Ansarollah« ist nach eigenen Angaben, die Erfüllung der Vereinbarungen durchzusetzen, die sie im September 2014 mit der Regierung ausgehandelt hatte. Dazu gehören unter anderem eine Machtteilung und die einvernehmliche Verabschiedung einer neuen Verfassung. Nach kurzen Gefechten übernahm »Ansarollah« am Dienstag die Kontrolle über die Residenz von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi und seinen privaten Wohnsitz, über den Amtssitz des Premierministers und einen Raketenstützpunkt. Am Mittwoch wurde ein Waffenstillstand geschlossen. Die schiitische Miliz sagte zu, die von ihr besetzten Gebäude im Gegenzug für die Erfüllung ihrer Forderungen zu räumen. Wie lange dieses Abkommen hält, ist jedoch völlig ungewiss, da ähnliche Versuche in der jüngeren Vergangenheit immer wieder scheiterten.

Ursache der schnellen militärischen Erfolge von »Ansarollah« ist, dass große Teile der Streitkräfte sich entweder mit ihr verbündet haben oder sich zumindest neutral verhalten, weil sie mit dem ehemaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh sympathisieren. Dieser hatte früher selbst die Feldzüge gegen die »Huthis« angeordnet, wird aber seit einiger Zeit nicht nur von seinen jemenitischen Gegnern, sondern auch vom UN-Sicherheitsrat verdächtigt, eng mit ihnen zusammenzuarbeiten. Der Rücktritt Salehs im Jahre 2012 erfolgte aufgrund starken Drucks der US-Regierung. Amerikanische Diplomaten waren auch entscheidend an den Vereinbarungen über die Neuordnung der Machtverhältnisse beteiligt. Für Washington stellen die Ereignisse der letzten Monate daher eine schwere Niederlage dar. Dies umso mehr, da vor allem der Iran von ihnen zu profitieren scheint.

* Aus: junge Welt, Freitag, 23. Januar 2015


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