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"Befreiung" durch Söldner

Saudi-Arabien lässt jemenitische Hafenstadt Aden erobern. Gerüchte über Rückkehr von Exilpräsident Hadi

Von Knut Mellenthin *

Die Ende März nach Saudi-Arabien geflüchtete Exilregierung des Jemen hat am Freitag die »Befreiung« der Hafenstadt Aden im Süden des Landes bekanntgegeben. Dabei wurde Bezug auf das Aid Al-Fitr, das Fest am Ende des Ramadan, genommen. Es wurde sogar das Gerücht verbreitet, der immer noch international anerkannte Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi wolle zu diesem Anlass aus seinem Exil in Riad in den Jemen zurückkehren. In den meisten muslimischen Ländern, so auch auf der arabischen Halbinsel, fand das Fest schon am Freitag statt.

Aden war der letzte Zufluchtsort der von Hadi geführten Regierung, nachdem sie schon im Februar von einem Bündnis ihrer Gegner aus der Hauptstadt Sanaa vertrieben worden war. Zu Hadis Sturz hatten sich große Teile der regulären jemenitischen Streitkräfte, die loyal zum früheren Präsidenten Ali Abdullah Saleh stehen, mit der schiitischen Organisation Ansarollah zusammengetan, deren Kämpfer in westlichen Medien fast ausschließlich mit dem abwertend gemeinten Namen »Huthis« bezeichnet werden. Diese Koalition ist auf den ersten Blick erstaunlich, da Saleh die Schiiten, die ein Viertel oder sogar ein Drittel der Bevölkerung ausmachen, jahrelang brutal bekämpft hatte. Trotzdem hält das Bündnis immer noch.

Die nahezu unangreifbare Hochburg der Schiiten liegt im Nordjemen. Mit dem Feldzug ihrer Milizen nach Süden, der im September 2014 begann, haben die Ansarollah ihre Kräfte zunehmend überbeansprucht. Aden war von 1967 bis 1990 die Hauptstadt des Südjemen, der den offiziellen Namen Volksdemokratische Republik Jemen trug und eng mit den sozialistischen Staaten verbunden war. 1990 schlossen sich beide Landesteile zusammen. Ein Aufstand südjemenitischer Separatisten wurde 1994 nach einem mehrmonatigen Bürgerkrieg niedergeschlagen, doch ist deren Bewegung nach wie vor sehr einflussreich und aktiv. Ihre bewaffneten Anhänger, oft mit dem englischen Namen Southern Popular Resistance bezeichnet, sind Berichten zufolge die Hauptkraft der Offensive gegen Aden, die schon Mitte voriger Woche begonnen hatte.

Die meisten Fotos von der »Befreiung« Adens zeigen einzelne Reihen von Männern jeden Alters in individueller Freizeitkleidung mit Handfeuerwaffen. In vielen Berichten werden sie, dem Augenschein zum Trotz, als »regierungstreue Truppen« bezeichnet. Tatsächlich handelt es sich um separatistische Kämpfer, von deren Organisiertheit selbst das Wort »Miliz« eine übertriebene Vorstellung vermittelt. Sie haben sich zeitweise mit Hadi verbündet, aber sicher nicht, um diesem wieder zur Herrschaft über den gesamten Jemen zu verhelfen.

Die regulären Streitkräfte sind schon vor Monaten fast vollständig zu Hadis Gegnern übergelaufen. Das saudische Regime hat daraufhin versucht, in großer Eile einige neue Einheiten zu rekrutieren, auszurüsten und auszubilden. Der Ausdruck »Söldner« trifft den Sachverhalt. Den täglichen Berichten des anscheinend gut informierten neokonservativen American Enterprise Institute (AEI) zufolge ist an der Offensive gegen Aden eine in Saudi-Arabien neu aufgestellte jemenitische Einheit mit 300 Mann beteiligt. Die Vereinigten Arabischen Emirate sollen für die Operation gepanzerte Mannschaftswagen zur Verfügung gestellt haben, deren Zahl von Beobachtern zwischen 40 und 100 angegeben wird. Die Angreifer sollen mit Hilfe saudischer Kriegsschiffe von See her gekommen sein. Da die Stadt Aden am Ende einer schmalen Halbinsel liegt, die durch Einnahme des internationalen Flughafens leicht abgeriegelt werden kann, ist das, zumal wenn der Vorstoß überraschend kommt und durch massives Feuer von saudischer Schiffsartillerie unterstützt wird, eine wirkungsvolle Taktik zur Erreichung von Anfangserfolgen. Ob damit jedoch die Kraft der Ansarollah in der Stadt und ihrer Umgebung wirklich schon gebrochen ist, kann sich erst in den nächsten Tagen zeigen.

* Aus: junge Welt, Samstag 18. Juli 2015


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