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USA nehmen Jemen ins Visier

Vorbereitungen zu Militärschlägen laufen / London und Washington schließen Botschaften

In Jemen braut sich etwas zusammen: Die Botschaften der USA und Großbritanniens schlossen angesichts von Terrordrohungen am Sonntag (3. Jan.) bis auf weiteres ihre Pforten. Am Samstag war der US-amerikanische Top-General David Petraeus in der Hauptstadt Sanaa überraschend mit dem jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Saleh zusammengetroffen.

Sanaa/Washington/London (dpa/ND). Die Zeichen einer verhaltenen Nervosität sind in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa nicht zu übersehen. General David Petraeus, der US-Militärkommandeur für den Raum zwischen Mogadischu und dem Hindukusch, tauchte am Wochenende wie aus heiterem Himmel bei Präsident Ali Abdullah Saleh auf. Die Botschaft zwischen den Zeilen: Washington verschärft die Gangart gegen den Terror. Außenminister Abu Bakr al-Kirbi beteuerte indes, dass Jemen das Geschäft der Terrorbekämpfung »selbst« betreibe. Geheimdienstchef Ali al-Anisi meinte gar, all das Gerede über die Al Qaida in Jemen sei »übertrieben«.

Washington und London kündigten derweil an, dass sie eine Anti- Terroreinheit in dem arabischen Land finanzieren wollten. Am Freitag hatte US-Präsident Barack Obama erstmals öffentlich die Al Qaida in Jemen als Drahtzieher des vereitelten Anschlags von Detroit beschuldigt. US-amerikanische Medien berichten bereits seit Tagen, die USA bereiteten Militärschläge gegen die Terroristen in Jemen vor, falls Obama einen Vergeltungsschlag befehlen sollte.

Als Grund für die Schließung der Botschaften wurden Anschlagsdrohungen der Al Qaida gegen westliche Einrichtungen genannt. Die US-Botschaft teilte mit, die Maßnahme gelte zunächst nur für einen Tag. Spanien schränkte den Zugang zu seiner Botschaft ein. Die deutsche Vertretung blieb weiter geöffnet. »Die deutsche Botschaft hat bislang keine Drohungen erhalten«, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin. Die Sicherheitsvorkehrungen würden jedoch verstärkt.

Washington und London wollen nicht nur eine Anti-Terroreinheit in dem arabischen Land finanzieren, sondern auch auch die Küstenwache Jemens unterstützen. Darauf hätten sich Obama und der britische Premierminister Gordon Brown nach dem vereitelten Flugzeuganschlag verständigt, teilte die Downing Street mit. Die Details müssten noch ausgearbeitet werden. Obama und Brown hätten seit dem versuchten Attentat mehrfach miteinander telefoniert und eine engere Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus vereinbart. Demnach wollen London und Washington sich im UN-Sicherheitsrat auch dafür einsetzen, dass die Friedenstruppen in Somalia, das von Jemen durch den Golf von Aden getrennt ist, aufgestockt werden. Erst im Dezember hatte der somalische Präsident Sheik Sharif Ahmed die internationale Gemeinschaft um Hilfe im Kampf gegen radikal-islamische Gruppen aufgefordert. Somalia gilt als Paradebeispiel für ein Land im Staatszerfall.

* Aus: Neues Deutschland, 4. Januar 2010


Dritte Front der NATO

Von Knut Mellenthin **

Die USA und Großbritannien verstärken ihre militärische Einmischung im Jemen. Das Büro des britischen Premierministers Gordon Brown gab am Sonntag (3. Jan.) bekannt, daß die beiden Staaten übereingekommen seien, eine »Antiterroreinheit« der jemenitischen Sicherheitskräfte zu finanzieren. Die gemeinsame Initiative sei das Ergebnis von Diskussionen, die schon seit längerer Zeit zwischen London und Washington geführt werden, sagte eine Sprecherin des Premiers. Brown und US-Präsident Barack Oba­ma seien außerdem der Ansicht, »daß eine größere Friedenstruppe in Somalia erforderlich ist und werden dies im UN-Sicherheitsrat unterstützen«.

Am Sonntag (3. Jan.) schlossen die USA und Großbritannien ihre Botschaften im Jemen »vorerst«, wie es hieß. Washingtons Vertretung in der Hauptstadt Sanaa teilte auf ihrer Internetseite mit, »Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel«, wie der regionale Al-Qaida-Ableger genannt wird, habe mit Anschlägen gegen US-Einrichtungen im Jemen gedroht.

Zur Sache hatten Vertreter der Administration in Washington schon vor mehreren Tagen mitgeteilt, daß die USA ihre militärische Unterstützung für das jemenitische Regime verstärken wollen und daß dazu auch die Ausbildung einheimischer Spezialeinheiten durch US-amerikanische Offiziere gehört. General David H. Petraeus, Chef des Kommandos Mitte der US-Streitkräfte, in dessen Zuständigkeit auch die Arabische Halbinsel fällt, gab am Freitag in Bagdad bekannt, die Militärhilfe der USA für Jemen habe sich im vergangenen Jahr auf 70 Millionen Dollar (knapp 50 Millionen Euro) belaufen und solle jetzt mehr als verdoppelt werden. Am Samstag traf Petraeus dann, so die amtliche jemenitische Nachrichtenagentur Saba, in Sanaa mit dem jemenitischen Präsidenten Ali Abdallah Saleh zusammen und sagte weitere Hilfe im »Antiterrorkampf« zu.

Die britische Unterstützung für Jemen betrug nach Angaben des Außenministeriums in London bisher umgerechnet 23 Millionen Euro und soll im neuen Jahr auf 57 Millionen Euro erhöht werden. Schon am Freitag hatte Brown erklärt, daß er am 28. Januar in London eine internationale Konferenz organisieren will, auf der über eine gemeinsame westliche Strategie für die »Terrorbekämpfung« im Jemen beraten werden soll. Das Datum wurde bewußt so gelegt, daß es mit der schon länger geplanten Afghanistan-Konferenz zusammenfällt, die gleichfalls in der britischen Hauptstadt stattfinden wird. Dadurch wird die enge Verknüpfung der beiden Kriegseinsätze betont und maximale Aufmerksamkeit für den Schauplatz Jemen erreicht. Nach einigen Medienberichten soll dabei auch über die Lage in Somalia gesprochen werden. Die EU-Regierungen hatten sich schon im Juli 2009 grundsätzlich darauf verständigt, Frankreich bei der Ausbildung somalischer Bürgerkriegstruppen zu unterstützen.

Das innenpolitisch isolierte, durch Korruption geprägte jemenitische Regime befindet sich seit Jahren in einem Mehrfrontenkrieg gegen die überwiegend schiitische Bevölkerung im Norden, gegen eine separatistische Bewegung im Süden, gegen mehrere traditionalistische Stämme und gegen eine bisher nicht sehr bedeutende Al-Qaida-Zelle. Deren Stärke gab der jemenitische Außenminister kürzlich, eher übertreibend, mit 300 Mann an. Selbst in westlichen Mainstream-Medien wie der Washington Post wird davor gewarnt, daß die zunehmende amerikanisch-britische Unterstützung für das Regime die Lage weiter komplizieren und die Oppositionskräfte stärken wird.

** Aus: junge Welt, 4. Januar 2010


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