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Druck auf Jemens Präsidenten wächst

Bundesregierung schaltet sich in Bemühungen um Rücktritt Salehs ein

Von Karin Leukefeld *

In die Suche nach einer Lösung im Jemen-Konflikt hat sich jetzt angeblich auch die Bundesregierung eingeschaltet. Ein ranghoher Diplomat sei dazu im Auftrag von Bundesaußenminister Guido Westerwelle nach Jemen und Saudi-Arabien gereist, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes vergangene Woche in Berlin.

Der deutsche Botschafter Michael Klor-Berchtold soll in den vergangenen Tagen in einer mit Riad und Washington abgestimmten Geheimmission in Sachen Jemen unterwegs gewesen sein. Das hatte die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« am Donnerstag berichtet. Im Auswärtigen Amt in Berlin wurde auf ND-Anfrage lediglich bestätigt, dass »ein hochrangiger Diplomat im Auftrag von Außenminister Guido Westerwelle Gespräche in Saudi-Arabien und Jemen geführt« habe. Die Bundesregierung beobachte die Entwicklung in Jemen mit großer Sorge, hieß es aus Diplomatenkreisen. Der politische Stillstand berge »erhebliche Risiken« für das Land.

Botschafter Klor-Berchtold, der seit der Schließung der Botschaft in Jemen im Februar das Krisenzentrum im Auswärtigen Amt in Berlin leitet, habe sich zunächst mit hochrangigen Politikern in Riad getroffen, um die Mission abzustimmen, hieß es in dem Zeitungsartikel. Er habe auch den jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Saleh getroffen, der sich nach einem Mörsergranatenanschlag seit Anfang Juni in Riad in ärztlicher Behandlung befindet. Ziel des Gesprächs sei es gewesen, Saleh auf der Basis eines Vorschlags, den der Golfkooperationsrat schon vor Monaten vorgelegt hatte, zum Rücktritt zu bewegen.

Der Plan sieht vor, dass Saleh 30 Tage nach der Unterzeichnung einer Vereinbarung mit der Opposition zurücktritt und damit den Weg zu Wahlen 60 Tage später frei machen soll. Im Gegenzug soll ihm und seiner Familie Straffreiheit zugesichert werden.

Anfang des Monats war bereits der höchste Terroristenjäger der USA, John Brennan, zu Gesprächen in Riad und Sanaa. Seit Jahren unterstützt Washington Präsident Saleh, der sich dem Westen als Partner im Kampf gegen den internationalen Terrorismus angedient hatte. John Brennan, ehemaliger CIA-Beauftragter für Saudi-Arabien, erklärte Berichten zufolge nun aber, Washington werde Saleh – und Jemen – nur weiter unterstützen, wenn der Präsident zurücktrete. Hilfe, »die so sehr gebraucht wird, wird wieder nach Jemen fließen, sobald der Vorschlag des Golfkooperationsrates unterschrieben und umgesetzt ist«, teilte das Weiße Haus mit.

Derweil verhandelte Gamal Bin Omar, Berater von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in der vergangenen Woche mit jemenitischen Offiziellen und Oppositionsvertretern über eine Lösung der vielfältigen Probleme im Lande.

Die jemenitische Tageszeitung »Yemen Observer« berichtete von einer Pressekonferenz der Nationalen Jugendbewegung Mitte Juli, bei der Saleh aufgefordert worden war, umgehend die politische Macht an seinen Stellvertreter Abdu Rabu Mansur Hadi zu übergeben. Während einer neunmonatigen Übergangsphase bis zu Wahlen könne Saleh »Ehrenpräsident« bleiben, schlug Adel Abdu Mohammed, ein Sprecher der Bewegung, vor. Ungeachtet dessen werden in Sanaa immer wieder auch Demonstrationen zur Unterstützung des seit 33 Jahren herrschenden Saleh organisiert.

Das deutsche Engagement in Jemen ist nicht neu. In dem Anfang 2010 in London gebildeten »Freundeskreis Jemen« hatte Deutschland eine zentrale Rolle. Bisher galt die Bundesrepublik eher als Vermittler, hat diese Rolle allerdings mit der neuen Mission aufgegeben. Riad und Washington sind weniger an demokratischen Reformen in Jemen interessiert als vielmehr daran, die militärische Kontrolle über das »Armenhaus der arabischen Welt« nicht zu verlieren. Zum eigenen Schutz hat das saudische Königshaus Saleh seit Jahren finanziell und militärisch im Kampf gegen Aufständische im Süden des Landes sowie gegen die Houthi-Bewegung im Norden unterstützt, die mehr kulturelle und politische Rechte fordert. Klammert sich Saleh jedoch weiter an die Macht, droht dem Land der Zerfall in mehrere umkämpfte Stammesgebiete – ähnlich wie jenseits des Golfes von Aden, im seit Jahren zerstückelten Somalia.

Das Büro für humanitäre Hilfe der Vereinten Nationen hat inzwischen auf die immense Verteuerung der Lebenshaltungskosten und die steigende Zahl von Inlandsvertriebenen seit Beginn der Proteste in Jemen vor fünf Monaten hingewiesen. Der Preis für Brot habe sich verdoppelt, Grundnahrungsmittel wie Mehl, Zucker und Milch kosteten bis zu 60 Prozent mehr als noch zu Jahresbeginn. Mehr als 50 Prozent der Kinder gelten als unterernährt. Der Preis für Benzin sei um 900 Prozent gestiegen.

Sollte die Regierung demnächst wegen ausbleibender Hilfen aus dem Ausland keine Gehälter mehr zahlen können, werde die Lage sich verschärfen. Die Revolte der Jugend könnte dann »von der Revolte der Hungrigen« abgelöst werden, heißt es in einem Bericht des UN-Informationsnetzwerks IRIN.

* Aus: Neues Deutschland, 25. Juli 2011


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