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Machtwechsel in Jemen

Präsident Saleh unterzeichnete Abkommen mit der Opposition *

Der jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh hat am Mittwoch (23. Nov.) ein Abkommen zur Übergabe der Macht unterzeichnet.

Riad (AFP/nd). Bei einer Zeremonie im Beisein des saudi-arabischen Königs Abdallah Ben Abdel Asis in Riad setzte Saleh seine Unterschrift unter das Dokument. Grundlage ist der Plan der Golfstaaten, wonach Saleh im Gegenzug für seinen Rücktritt Immunität für sich und seine Angehörigen erhält. Das Abkommen wurde auch von Vertretern der jemenitischen Regierungspartei und der Opposition unterzeichnet. Der saudi-arabische Monarch sprach von einer »neuen Seite« in der jemenitischen Geschichte.

Zehn Monate nach dem Beginn der Unruhen in Jemen ist der Weg für den Machtwechsel frei. Am Dienstag hatte der UN-Gesandte in Sanaa, Dschamal Benomar, erklärt, die Führung und die Opposition hätten ein Abkommen zur Machtübergabe besiegelt. Wie aus politischen Kreisen in Sanaa zu erfahren war, gelang der Durchbruch nach der Aufnahme einer Klausel, wonach Saleh 90 Tage noch »Ehrenpräsident« bleibt. Demnach soll Saleh die Macht an seinen Vizepräsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi übergeben, der nach Ablauf der Frist von 90 Tagen offiziell Präsident werden soll.

Laut Diplomatenkreisen sieht das Abkommen weiter vor, dass Hadi mit der Opposition eine Übergangsregierung bildet, die einen nationalen Dialog einleiten und eine neue Verfassung ausarbeiten soll. Innerhalb von zwei Jahren sollen dann Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abgehalten werden. Während dem seit 33 Jahren regierenden Saleh Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen werden, ist sein Vize bei der Opposition akzeptiert. Nach der Unterzeichnung des Abkommens werde Saleh nach New York fliegen und dort medizinisch behandelt werden, teilte UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon am Mittwoch am Sitz der Vereinten Nationen mit. Ban sagte, er habe mit Saleh am Vortag telefonisch über die Planungen gesprochen. Saleh war Ende September aus Saudi-Arabien zurückgekehrt, wo er mehr als drei Monate lang wegen Verletzungen behandelt worden war, die er im Juni bei einem Angriff auf seinen Präsidentenpalast in Sanaa erlitten hatte.

Kurz nach der Abreise Salehs flammten in Sanaa neue Gefechte zwischen seinen Anhängern und Kämpfern des mächtigen Stammesführers Scheich Sadek al-Ahmar auf, der sich der Opposition angeschlossen hat. Aus dem Viertel Hassaba, wo der Scheich seine Hochburg hat, sowie aus dem Nachbarviertel Sufan waren Explosionen zu hören.

* Aus: neues deutschland, 24. November 2011


Saleh, das Opfer

Von Roland Etzel **

Jemens Präsident Saleh hat seinen Rücktritt unterschrieben. Zwar ergatterte er noch 90 Tage Schamfrist, aber darauf kommt es nun auch nicht mehr an, nach einer Regierungszeit von 33 Jahren, vier Monaten und sechs Tagen - bis jetzt, denn Saleh ist ein Meister der Unberechenbarkeit. Schon mehrfach nahm er sein gegebenes Wort zurück.

Seine großen Gönner in Riad und Washington würden es ihm vielleicht erneut durchgehen lassen. Aber Saleh wird wissen, dass er den Bogen nicht überspannen darf. Ohne das Geld der Nachbarn und die Bomber der nahen US-Flotte herrschten in Jemen längst somalische Verhältnisse. Im Ranking des US-Außenministeriums war Saleh seit dem Golfkrieg von 1990 vom Terrorunterstützer zum treuen Verbündeten aufgestiegen und wurde also nicht auf eine Stufe gestellt mit verfemten Herrschern wie Assad und Gaddafi.

Deshalb trennt man sich nicht gern von ihm. Aber nun muss es eben sein. Jedoch nicht weil Salehs Luftwaffe seit 2008 immer wieder unbotmäßige Stämme im Nordwesten und Süden bombardiert hat. Das wurde im Westen als Kampf gegen Al Qaida abgehakt. Saleh hat dieses Jahr einfach ein paar Mal zu oft auf Demonstranten schießen lassen. Und wenn »die internationale Gemeinschaft« Gaddafi mit dem Menschenrechts-Habitus den Garaus gemacht hat und das Gleiche mit dem Syrer vorhat, muss man leider auch Saleh strafen. Wenigstens ein bisschen.

** Aus: neues deutschland, 24. November 2011 (Kommentar)


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