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Präsident Saleh wieder in Jemen

Keine Rücktrittserklärung / Gefechte und Proteste gehen weiter

Von Karin Leukefeld *

Der umstrittene jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh ist überraschend in seine Heimat zurückgekehrt. Das jemenitische Fernsehen berichtete, dass Saleh an Bord einer Privatmaschine am frühen Freitagmorgen (23. Sept.) in Sanaa gelandet sei.

Livebilder von Saleh waren gestern nicht zu sehen, es gab lediglich alte Aufnahmen, untermalt mit Marschmusik. Seit Februar fordern Hunderttausende den Rücktritt des jemenitischen Präsidenten, dem Korruption und Machtmissbrauch vorgeworfen werden. Seit 33 Jahren an der Macht, war er bei einem Anschlag Anfang Juni schwer verletzt worden und hielt sich seitdem in Saudi-Arabien auf, wo er medizinisch betreut wurde. Nach seiner Ankunft in Sanaa machte er nun klar, dass er nicht an Rücktritt denke; vielmehr bot der 69-Jährige der Opposition Verhandlungen an und rief zur Waffenruhe auf. Die staatliche Nachrichtenagentur Saba kündigte eine »Grundsatzrede« des Präsidenten an das Volk für kommenden Montag an.

Seine unerwartete Rückkehr hat viele Spekulationen ausgelöst. Seit einer Woche liefern sich Soldaten der Saleh-treuen Republikanischen Garden Kämpfe mit Soldaten von General Ali Mohsen Al-Ahmar, der mit verschiedenen Armee-Einheiten zur Opposition übergelaufen ist. Die Garden werden angeblich von Ahmed Saleh, dem Sohn des Präsidenten geführt. Mehr als 100 Menschen sollen seit Wochenbeginn in Sanaa getötet worden sein. Ein kurzer Waffenstillstand am Mittwoch reichte nur, um die Toten zu beerdigen, dann gingen die Kämpfe weiter.

Die Lage verschlechtere sich ständig, sagte der UNO-Vertreter in Jemen, Jamal Benomar. Das Risiko eines Bürgerkrieges sei groß. Mit dem Vorsitzenden des Golfkooperationsrates, Abdullatif al-Zayani, hatte er vergeblich versucht, zwischen den kämpfenden Seiten zu vermitteln. Um Saleh zum Rücktritt zu bewegen, legten die USA, Saudi-Arabien, der Golfkooperationsrat und der »Freundeskreis Jemen«, in dem auch Deutschland aktiv ist, schon vor Monaten einen Vermittlungsvorschlag vor. Danach sollte die Macht an seinen Stellvertreter Abdrabbo Mansour Hadi übergeben und eine Übergangsregierung unter Einbeziehung der Opposition gebildet werden, um Neuwahlen vorzubereiten. Im Gegenzug waren Saleh und seiner Familie Straffreiheit zugesagt worden.

Politische Beobachter in Sanaa befürchten nun, dass die Rückkehr Salehs seine Widersacher provozieren und die Kämpfe verschärfen könnte. Mohammed al-Asl, ein Aktivist der Oppositionsbewegung, meinte allerdings gegenüber der britischen BBC, Saleh solle ruhig zurückkommen, »damit wir ihn für seine Verbrechen vor Gericht stellen können«. Nach dem Freitagsgebet gingen über 200 000 Saleh-Gegner mit dieser Losung auf die Straße. Im arabischen Nachrichtensender »Al Dschasira« äußerte Mahjoob Zweiri, Professor an der Universität Katar, die Vermutung, dass die Rückkehr auf eine Einigung zwischen Saleh mit dem saudischen Königshaus und Washington hindeute. Möglicherweise sollten politische Veränderungen in seiner Anwesenheit in Sanaa verkündet werden.

* Aus: Neues Deutschland, 24. September 2011


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